7. Für Unternehmer: Billigkeitserlass von Nachforderungszinsen bei unzutreffender zeitlicher Zuordnung von Umsätzen

Justitia-Statue

Ausweislich der gesetzlichen Vorschrift in § 227 der Abgabenordnung (AO) können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, zu denen auch Zinsansprüche gehören, ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles aus persönlichen oder sachlichen Gründen unbillig wäre. So bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 26.9.2019 unter dem Aktenzeichen V R 13/18.

Die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme nach § 227 AO ist eine Ermessensentscheidung im Sinne von § 5 AO, die im finanzgerichtlichen Verfahren nur daraufhin überprüft werden kann, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.

Sachlich unbillig ist die Festsetzung einer Steuer oder eines Zinsanspruchs, wenn sie zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber der Wertung des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwiderläuft, dass ihre Erhebung unbillig erscheint. Das ist der Fall, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage (wenn er sie als regelungsbedürftig erkannt hätte) im Sinne der begehrten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte. So definiert seitens des Bundesfinanzhofs in einer Entscheidung vom 20.9.2012 unter dem Aktenzeichen IV R 29/10. Eine solche Entscheidung kann ihren Grund entweder in Gerechtigkeitsgesichtspunkten oder in einem Widerspruch zu dem der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden Zweck haben. Allerdings dürfen Billigkeitsmaßnahmen nicht die einem gesetzlichen Steuertatbestand innewohnende Wertung des Gesetzgebers generell durchbrechen oder korrigieren, sondern nur einen sich lediglich in einem Einzelfall zeigenden, ungewollten Überhang des gesetzlichen Steuertatbestand abhelfen.

Auf Basis dieser Grundlagen ist die Festsetzung von Zinsen nach § 233a AO grundsätzlich rechtmäßig, wenn der Schuldner der Steuernachforderungen Liquiditätsvorteile gehabt hat. Aber (und dies ist für die Praxis besonders wichtig): Bei einer von den ursprünglichen Steuerfestsetzungen abweichenden zeitlichen Zuordnung eines Umsatzes durch die Finanzbehörde, die gleichzeitig zu einer Steuernachforderungen und einer Steuererstattung führt, sollen durch § 233a AO keine Zinsvorteile abgeschöpft werden, die in Wirklichkeit nicht vorhanden sind.

Im Billigkeitsverfahren auf Erlass festgesetzter Zinsen hat es der Unternehmer daher nicht hinzunehmen, dass eine um einen Monat verspätete Steueranmeldung zu einem Zinslauf von acht Monaten führt, wenn der erlangte Liquiditätsvorteil durch eine spätere Anmeldung und die entsprechende Vorauszahlung vor Beginn des Zinslaufs wieder entfallen war. Es kann durch die Verzinsung der sich aus der verspäteten Steuerfestsetzung ergebenden Steuernachforderungen kein Vorteil ausgeglichen werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Steuerpflichtige durch die verspätete Steuerfestsetzung keinen Vorteil hatte. Daher sind bei einer von den ursprünglichen Steuerfestsetzungen abweichenden zeitlichen Zuordnung eines Umsatzes, die gleichzeitig zu einer Steuernachforderungen und einer Steuererstattung führt, tatsächlich nicht vorhandene Zinsvorteile auch nicht abzuschöpfen. Somit kann im Erlassverfahren wegen Nachforderungszinsen nicht unberücksichtigt bleiben, dass zum Beispiel der Liquiditätsvorteil, der dem Steuerpflichtigen durch die verspätete Anmeldung des im Voranmeldungszeitraum Dezember 01 ausgeführten Umsatzes erwachsen war, bereits mit Zahlung der für den Voranmeldungszeitraum Januar 02 angemeldeten Steuer und damit vor Beginn des Zinslaufes wieder entfallen ist.

Auf Basis dieser Grundlagen legt daher der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 23.2.2023 unter dem Aktenzeichen V R 30/20 fest, dass unterjährige Zinsvorteile bei der Prüfung eines Liquiditätsvorteils im Rahmen des Billigkeitserlasses von Nachforderungszinsen zur Umsatzsteuer unbeachtlich sind. Dem Erlass von Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer steht demnach auch nicht entgegen, dass es zu mehreren aufeinanderfolgenden jahresübergreifenden Umsatzverlagerungen kommt.