Mit Urteil vom 21.12.2022 hat der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen I R 53/19 entschieden, dass der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft nicht befugt ist, den gegen die Kapitalgesellschaft ergangenen Bescheid über die gesonderte Feststellung des Bestandes des steuerlichen Einlagekontos anzufechten.
Dies begründet der Bundesfinanzhof wie folgt: Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Anfechtungsklage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein.
Nach der Rechtsprechung richtet sich der Feststellungsbescheid zum steuerlichen Einlagekonto ausschließlich gegen die dort genannte Kapitalgesellschaft. Obgleich dem steuerlichen Einlagekonto für die eigene Ertragsbesteuerung der Kapitalgesellschaft keine unmittelbare Bedeutung zukommt, hat der Bundesfinanzhof dieser die Befugnis zuerkannt, gegen den Feststellungsbescheid außergerichtlich und gerichtlich vorzugehen. So bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 30.1.2013 unter dem Aktenzeichen I R 35/11.
Dieser Bescheid entfaltet materiell-rechtliche Bindungswirkung auch für die Anteilseigner. Nach dieser Vorschrift gehören Bezüge aus Anteilen an einer Körperschaft nicht zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen, soweit für diese Eigenkapital im Sinne des § 27 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) als verwendet gilt. Materielles Tatbestandsmerkmal ist damit der im Bescheid ausgewiesene Bestand. Gilt danach das steuerliche Einlagekonto für die Leistung der Körperschaft als verwendet, ist diese Verwendungsfiktion auch auf der Ebene der Gesellschafter zu beachten. Ein Gesellschafter kann sich deshalb in einem die eigene Besteuerung betreffenden Verfahren nicht mit Erfolg darauf berufen, das steuerliche Einlagekonto sei im Bescheid über die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos unzutreffend ausgewiesen. So bereits der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 19.5.2010 unter dem Aktenzeichen I R 51/09.
Folglich kommen die Richter des I. Senates des Bundesfinanzhofs zu dem Schluss, dass eine materiell-rechtliche Tatbestandswirkung des Feststellungsbescheides für die Anteilseigner der Kapitalgesellschaft kein Drittanfechtungsrecht begründet. In der Rechtsprechung und auch in der Literatur wird insoweit jedoch durchaus eine unterschiedliche Meinung vertreten. Insgesamt wird die Thematik kontrovers diskutiert. So hat das Hessische Finanzgericht in einer Entscheidung vom 1.12.2015 unter dem Aktenzeichen 4 K 1355/13 für ein Drittanfechtungsrecht plädiert. Abgelehnt hat es hingegen das Finanzgericht München in einem Beschluss vom 28.5.2019 unter dem Aktenzeichen 7 V 803/19. Auch in der Literatur gibt es Aussagen für die eine und die andere Auffassung. Der hier erkennende Senat des Bundesfinanzhofs hat sich nun der ablehnenden Haltung angeschlossen. So zumindest mit Blick auf das Einlagenkonto.
Tatsächlich hat der Bundesfinanzhof nämlich in einigen anderen Fallkonstellationen ein Drittanfechtungsrecht anerkannt. So hat er insbesondere dem Einbringenden die Befugnis zuerkannt, den Körperschaftsteuerbescheid des aufnehmenden Unternehmens mit der Begründung anzufechten, der dort zugrunde gelegte Wertansatz für das eingebrachte Vermögen sei zu hoch bemessen. So das Bundesfinanzhof-Urteil vom 8.6.2011 unter dem Aktenzeichen I R 79/10.
Die Zuerkennung des Drittanfechtungsrecht in dieser Konstellation beruht zum einen darauf, dass im Körperschaftsteuerbescheid materiell-rechtlich bindend für den Einbringenden der Wertansatz für das eingebrachte Vermögen als Veräußerungspreis gemäß § 20 Abs. 3 Satz 1 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) festgeschrieben wird. Zum anderen ist die Körperschaft rechtlich nicht in der Lage, den Körperschaftsteuerbescheid erfolgreich anzufechten, weil sie selbst durch einen zu hohen Werteinsatz unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt beschwert ist. Aus den genannten Gründen ist es zur Vermeidung einer Rechtsschutzlücke gemäß Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) geboten, dass Drittanfechtungsrecht des Einbringenden anzuerkennen.
Eine hiermit vergleichbare Situation erkennt der Bundesfinanzhof jedoch in Bezug auf die Feststellung des Einlagekontos nicht. Der Bundesfinanzhof hat der Körperschaft als Inhaltsadressaten des ergangenen Feststellungsbescheides die Klagebefugnis ausdrücklich zuerkannt. Damit ist der Anteilseigner zwar materiell-rechtlich vom Feststellungsbescheid mittelbar betroffen, jedoch kann die Körperschaft den Feststellungsbescheid vollumfänglich außergerichtlich und gerichtlich überprüfen lassen. Aus diesem Grund erachtet der Bundesfinanzhof die Zuerkennung eines eigenen Anfechtungsrechts des Anteilseigners für nicht geboten, zumal damit Rechtsfolgen verbunden werden, die dem Bundesfinanzhof unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit nicht hinnehmbar erscheinen.
Soweit in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhof ein Drittanfechtungsrecht des Arbeitnehmers gegen den gegenüber dem Arbeitgeber ergangenen Lohnsteuer-Haftungsbescheid und des Vergütungsgläubigers gegen den gegenüber dem Vergütungsschuldner ergangenen Kapitalertragsteuer-Haftungsbescheid anerkannt wird, beruht dies im Wesentlichen auf der Überlegung, dass der Arbeitnehmer und der Vergütungsgläubiger in ihrer Eigenschaft als Schuldner der Lohnsteuer bzw. Kapitalertragsteuer unmittelbar vom Haftungsbescheid betroffen sind, weil dieser in ihren Rechtsbereich eingreift. Damit ist die Stellung des Anteilseigners in Bezug auf den Feststellungsbescheid gemäß § 27 Abs. 2 KStG nicht zu vergleichen.
Es bleibt daher im Ergebnis dabei, dass vorliegend dem Gesellschafter kein Drittanfechtungsrecht zusteht.