Ausweislich der gesetzlichen Regelung in § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) mindern verdeckte Gewinnausschüttungen das Einkommen der Kapitalgesellschaft nicht. Unter einer verdeckten Gewinnausschüttung ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Gewinns auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. In der Regel wird dabei eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihren Gesellschaftern einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Konkret gesagt es wird in der Praxis regelmäßig der sogenannte Fremdvergleich herangezogen.
Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang bei Geschäften zwischen einer Kapitalgesellschaft und deren beherrschendem Gesellschafter die tatsächlich vereinbarten Preise von denjenigen abweichen, die zwischen fremden Dritten vereinbart worden wären, ist eine tatsächliche Frage, deren Beantwortung im gerichtlichen Verfahren in erster Linie dem (erstinstanzlichen) Finanzgericht obliegt.
Das Finanzgericht muss den maßgeblichen Fremdvergleich unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls ermitteln, was im Regelfall eine Schätzung notwendig macht. Die Entscheidung darüber, wie der Fremdvergleich im Einzelfall durchzuführen ist, obliegt dabei grundsätzlich dem Finanzgericht. Dieses muss bei der Ermittlung des fremdüblichen Preises allerdings beachten, dass es häufig für die betreffende Leistung nicht „den“ Fremdvergleichspreis, sondern eine Bandbreite von Preisen geben wird. In einem solchen Fall ist bei der Berechnung der verdeckten Gewinnausschüttung von dem für den Steuerpflichtigen günstigsten Vergleichspreis auszugehen.
Bei der Beurteilung von Darlehensgeschäften zwischen der Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter hat die Rechtsprechung daher folgende allgemeine Grundsätze aufgestellt:
Gewährt die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter ein Darlehen, kommt der Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung insoweit in Betracht, als der Kredit zinslos oder zu einem unangemessen niedrigen Zins gewährt wird. Davon kann insbesondere auszugehen sein, wenn die Gesellschaft für den bei ihr angestellten Gesellschafter ein unangemessen verzinstes Verrechnungskonto führt, dass ein Saldo zugunsten der Gesellschaft ausweist.
Zur Bestimmung des angemessenen, fremdüblichen Zinses ist vorrangig die Preisvergleichsmethode anzuwenden, weil diese Methode unmittelbar zur Feststellung des Vergleichspreises führt und sie daher als die Grundmethode zur Bestimmung angemessener Verrechnungspreise anzusehen ist. Fremdpreis ist der Zins, zu dem Fremde unter vergleichbaren Bedingungen den Kredit am Geld- oder Kapitalmarkt gewährt hätten.
Für Fälle, in denen eine Gesellschaft für den bei ihr angestellten Gesellschafter ein unangemessen verzinstes Verrechnungskonto führt, hat die Rechtsprechung zur Bemessung des angemessenen Zinssatzes den sogenannten „Margenteilungsgrundsatz“ als sachgerechten Erfahrungssatz anerkannt. Danach gilt:
Bei Kreditgeschäften zwischen einer Kapitalgesellschaft, die selbst keine Bankgeschäfte betreibt und als privater Darlehensgeber agiert, und ihrem Gesellschafter als privatem Darlehensnehmer berechnet sich die für den Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung erforderliche verhinderte Vermögensmehrung nach den in Rechnung gestellten Soll-Zinsen, wenn und soweit davon ausgegangen werden kann, dass der dem Gesellschafter zinslos überlassene Darlehensbetrag andernfalls zur Kreditrückzahlung verwendet worden wäre. Hat die Gesellschaft selbst keinen Kredit aufgenommen, so bilden die banküblichen Haben-Zinsen die Untergrenze und die banküblichen Soll-Zinsen die Obergrenze der verhinderten Vermögensmehrung.
Der im Einzelfall maßgeblich Betrag innerhalb der genannten Marge ist durch Schätzung zu ermitteln, wobei dem Risiko, dass das Darlehen nicht zurückgezahlt werden kann, besondere Bedeutung zukommt. In der Regel ist der Ansatz der Soll-Zinsen jedenfalls dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesellschaft keine Bankgeschäfte betreibt und deshalb auch nicht den damit verbundenen Aufwand hat. Sind keine anderen Anhaltspunkte für die Schätzung erkennbar, ist es nicht zu beanstanden, wenn von dem Erfahrungssatz ausgegangen wird, dass sich private Darlehensgeber und Darlehensnehmer die bankübliche Marge zwischen Soll-Zinsen und Haben-Zinsen teilen.
Ungeachtet der zuweilen geäußerten Kritik an diesen Grundsätzen hält jedoch der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 22.2.2023 unter dem Aktenzeichen I R 27/20 daran fest.
Einen Widerspruch zur oben bereits näher beschriebenen Bandbreiten-Rechtsprechung, wonach der richtige Fremdvergleichspreis keinen Punktwert darstellt, sondern aus einer Bandbreite von allesamt fremdüblichen Preisen besteht, liegt nach Auffassung des erkennenden I. Senates des Bundesfinanzhofs nicht vor.
Denn der sich aus der Margenteilung ergebende Mittelwert ist aus Fremdvergleichen abgeleitet und überdies nur dann einzusetzen, wenn anderweitige tatsächliche Anhaltspunkte für die Schätzung fehlen. Die Teilung der Marge selbst beruht auf einer Beobachtung des Wirtschaftslebens und damit auf einem Erfahrungssatz, den der Senat als fremdübliches Verhalten auch für das Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter annimmt. Es besteht auch kein zwingender Grund, sich in der Kreditvergabesituation allein an dem vom Kreditgeber alternativ erzielbaren Habenzins als Vergleichsmaßstab und in der Kreditaufnahmesituation allein an dem vom Kreditnehmer alternativ hinzunehmenden Sollzins zu orientieren. Denn mit einem solchermaßen gespaltenen Ansatz können bei der Beurteilung eines einheitlichen Rechtsverhältnisses unterschiedliche Fremdvergleichspreise hervorgehen, was in der Sache und aus Praktikabilitätsgründen nicht überzeugt.
Nach Auffassung des erkennenden Senats besteht schließlich auch kein Widerspruch zwischen dem Margenteilungsgrundsatz und neueren Entscheidungen des Senats zu Darlehensgewährungen im Konzern. Vorliegend geht es um die gänzlich anders gelagerte Situation einer privaten Gelegenheit zur Kreditvergabe durch eine juristische Person an ihren beherrschenden Gesellschafter. Nur insoweit ist der Margenteilungsgrundsatz als praktikables Hilfsmittel für den Fall anzuerkennen, das keine anderen Anhaltspunkte für die Schätzung erkennbar sind.
Sind daher keine anderen Anhaltspunkte für die regelmäßig gebotene Schätzung der fremdüblichen Zinsen erkennbar, ist es nach Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht zu beanstanden, wenn von dem Erfahrungssatz ausgegangen wird, dass sich private Darlehensgeber und Darlehensnehmer die bankübliche Marge zwischen Soll-Zinsen und Haben-Zinsen teilen.
Sollte die vorstehender Auffassung des Bundesfinanzhofs daher auch in aller Konsequenz seitens der Finanzverwaltung umgesetzt werden, könnte dies zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Immerhin ist der angemessene Zinssatz dann nicht mehr im Rahmen einer Bandbreite zu finden, sondern muss (abgestellt auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrages) mit einem konkreten Punkt ermittelt werden. Es bleibt daher zu hoffen, dass die Finanzverwaltung hier das nötige Fingerspitzengefühl hat und die Sache im Wesentlichen etwas großzügiger betrachtet.