Im hier behandelten Streitfall geht es um die Frage, ob der Steuerpflichtige Investitionsabzugsbeträge in Anspruch nehmen darf. Entsprechend der gesetzlichen Regelung können Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder Herstellung von abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die mindestens bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung folgenden Wirtschaftsjahres in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebes ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt werden, bis zu 50 % der voraussichtlichen Anschaffung- oder Herstellungskosten gewinnmindernd abziehen. Man spricht dabei vom sogenannten Investitionsabzugsbetrag.
Dieser kann jedoch nur in Anspruch genommen werden, wenn der Gewinn, der nach § 4 oder § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt wird, im Wirtschaftsjahr, in dem die Abzüge vorgenommen werden sollen, ohne Berücksichtigung der Investitionsabzugsbeträge und der Hinzurechnungen nach § 7g Abs. 2 EStG 200.000 Euro nicht überschreitet.
Im Verfahren beim Finanzgericht Baden-Württemberg unter dem Aktenzeichen 10 K 1873/22 war nun strittig, was im Zusammenhang mit den Investitionsabzugsbeträgen denn unter Gewinn zu verstehen ist. Infrage kommt insoweit der Steuerbilanzgewinn oder auch der Gewinn, der tatsächlich später als steuerlicher Gewinn besteuert wird. Letzterer differiert insbesondere vom Steuerbilanzgewinn durch außerbilanzielle Hinzurechnung oder Kürzungen von nicht abziehbaren Betriebsausgaben.
Nach Auffassung des Finanzgerichtes Baden-Württemberg ist unter dem Wort „Gewinn“ im Zusammenhang mit der Vorschrift des Investitionsabzugsbetrages der Steuerbilanzgewinn und nicht der steuerliche Gewinn im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1 EStG zu verstehen. Eine Korrektur um außerbilanzielle Positionen wie nicht abziehbare Betriebsausgaben oder einkommenssteuerfreie Einnahmen findet nicht statt. Dies ist auch die einhellige Meinung der Literatur.
Eine eigenständige Definition des Begriffs „Gewinn“ findet im Zusammenhang mit der Regelung des Investitionsabzugsbetrages nicht statt. Es ist zwar bestimmt, dass der Gewinn nach § 4 oder § 5 EStG zu ermitteln und damit grundsätzlich an den nach steuerrechtlichen Vorschriften ermittelten Gewinn und nicht an den handelsbilanziellen Jahresüberschuss anzuknüpfen ist. Nicht geregelt ist jedoch, ob der Gewinn um nicht abziehbare Betriebsausgaben zu erhöhen bzw. um steuerfreie Betriebsvermögensmehrungen zu mindern ist. Insoweit ist nicht geregelt, dass der steuerliche Gewinn im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1 EStG für die Bestimmung der Gewinngrenze beim Investitionsabzugsbetrag ausschlaggebend sein soll.
Vielmehr deutet der Wortlaut der Vorschrift auf eine Maßgeblichkeit des nicht korrigierten Gewinns hin. Das Gesetz stellt auf den nach § 4 beziehungsweise § 5 EStG „ermittelten“ Gewinn ab. Dies lässt nach Meinung der Richter aus Baden-Württemberg darauf schließen, dass Erhöhungen und Minderungen, die sich außerhalb der Gewinnermittlung vollziehen, bei der Bestimmung des Höchstbetrags von 200.000 Euro unberücksichtigt bleiben sollen.
Zwar könnte auch ein nach § 4 EStG ermittelter Gewinn die Korrekturen nach § 4 Abs. 5 EStG und damit die nicht abziehbaren Betriebsausgaben, die nicht abziehbare Gewerbesteuer nach § 4 Absatz 5b EStG und nach § 4 Absatz 4a EStG die nicht abziehbaren Schuldzinsen beinhalten. Damit ist aber nach Auffassung der Richter nicht erklärt, weshalb auch andere (nicht in § 4 EStG normierte) Korrekturen in die Gewinngrenze einzubeziehen wären. Dazu können beispielsweise das Teilabzugsverbot oder das Teileinkünfteverfahren gemäß § 3 Nummer 40 EStG gehören. Zudem spricht ausweislich des Urteils der Richter des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 2.5.2023 mehr dafür, dass der Gesetzgeber mit der Formulierung zum Ausdruck bringen wollte, nicht nur die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Absatz 1 Satz 1 EStG, sondern ebenso diejenige durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG als für Zwecke des § 7g EStG zulässige Gewinnermittlung zu bestimmen. Insgesamt lassen daher die Richter aus Baden-Württemberg keinen Zweifel daran, dass der Steuerbilanzgewinn und nicht der steuerliche Gewinn für die Prüfung der Höchstgrenze von 200.000 Euro beim Investitionsabzugsbetrag maßgebend ist.
Betroffenen sei insoweit geraten, sich die ausführliche Urteilsbegründung vorzunehmen, da dort auch noch zahlreiche weitere Argumente zu finden sind. Auch wenn insoweit die Entscheidung aus Baden-Württemberg durchaus nachvollziehbar und sehr gut begründet ist, musste wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage und zur Fortbildung des Rechts die Revision zugelassen werden. Insbesondere weil die Entscheidung gegen das Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 15.6.2022 gerichtet ist, verwundert es nicht, dass die Finanzverwaltung die Revision zum Bundesfinanzhof eingelegt hat. Unter dem Aktenzeichen X R 14/23 muss dieser nun klären, welcher Gewinn tatsächlich zur Prüfung der Gewinngrenze bei Investitionsabzugsbeträgen anzuwenden ist.