5. Für alle Steuerpflichtigen: Erbfallkostenpauschale auch für den Nacherben!

Sowohl der Vorerbe als auch der Nacherbe verwirklichen den Besteuerungstatbestand für einen Erwerb von Todes wegen. Der Anfall der Nacherbschaft gilt grundsätzlich als Erwerb vom Vorerben. Während zivilrechtlich der Vorerbe und der Nacherbe zwar nacheinander, aber beide vom ursprünglichen Erblasser erben, gilt erbschaftsteuerrechtlich der Vorerbe als Erbe. Sein Erwerb unterliegt in vollem Umfang und ohne Berücksichtigung der Beschränkungen durch das Nacherbenrecht der Erbschaftsteuer. Beim Eintritt der Nacherbfolge haben diejenigen, auf die das Vermögen übergeht, den Erwerb als vom Vorerben stammend zu versteuern. Die Vorschrift im Erbschaftsteuerrecht fingiert für erbschaftsteuerrechtliche Zwecke, dass der Nacherbe Erbe des Vorerben wird. Tritt der Nacherbfall durch den Tod des Vorerben ein und wird der Nacherbe zugleich Erbe nach dem Vorerben, liegen zwar zivilrechtlich zwei Erbfälle vor, erbschaftsteuerrechtlich jedoch nur ein einheitlicher Erwerb vom Vorerben.

Für jeden der Erwerber gilt als Bereicherung der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem nach § 12 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) zu ermittelnden Wert des gesamten Vermögensanfalls, soweit er der Besteuerung unterliegt, die abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden.

Als Nachlassverbindlichkeiten sind abzugsfähig, soweit sich nicht aus dem Gesetz etwas anderes ergibt, die Kosten der Bestattung des Erblassers, die Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal, die Kosten für die übliche Grabpflege mit ihrem Kapitalwert für eine unbestimmte Dauer sowie die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Der Begriff der Nachlassregelungskosten ist grundsätzlich weit auszulegen und umfasst unter anderem die Kosten der tatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nachlasses sowie alle Kosten, die aufgewendet werden müssen, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zukommenden Güter zu setzen.

Beim Erwerb des Nacherben schließt die Ermittlung der Nachlassverbindlichkeiten auch den Pauschbetrag nach § 10 Abs. 5 Nummer 3 Satz 2 ErbStG ein. Nach dieser Vorschrift wird für bestimmte Kosten insgesamt ein Betrag von 10.300 Euro ohne Nachweis abgezogen. Der Betrag ist für jeden Erbfall nur einmal zu gewähren, namentlich für mehrere Miterben nur einmal. Die Erbfolge von Vor- und Nacherbfall stellt jedoch erbschaftsteuerrechtlich nicht einen Erbfall mit mehreren Erben dar. Vielmehr sind die beiden Vorgänge als zwei getrennte Erbfälle zu behandeln. Es entspricht dieser Systematik, im Rahmen der Ermittlung der Bereicherung auch den Pauschbetrag zweimal anzusetzen.

Der Umstand, dass bei Vor- und Nacherbschaften bezogen auf den ursprünglichen Erblasser nur ein Todesfall zu verzeichnen ist, verlangt nicht nach einer teleologischen Reduktion der Vorschrift, so der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 1.2.2023 unter dem Aktenzeichen II R 3/20. Es mag zutreffen, dass der Pauschbetrag auch die Beerdigungskosten erfassen soll und ursprünglich der Höhe nach auch daran ausgerichtet war. Richtig ist somit, dass bei zweimaliger Gewährung der Pauschale auch die Beerdigungskosten zweimal typisierend berücksichtigt werden, obwohl sie nicht zweimal anfallen. Der Pauschbetrag umfasst aber nicht nur Beerdigungskosten, sondern dient außerdem dazu, Nachlassregelungskosten im weiteren Sinne abzugelten. Nachlassregelungskosten können jedoch ohne weiteres zweimal in jeweils unbegrenzter Höhe anfallen. Sie fallen in unterschiedlicher Höhe typischerweise auch in einem Nacherbfall an. Der Ansatz der Kostenpauschale dient der Vereinfachung der Steuerfestsetzung. Dies gilt auch im Nacherbfall, und zwar unabhängig davon, ob der Nacherbe auch zivilrechtlich Erbe des Vorerben wird.

Der Abzug des Pauschbetrages setzt zudem nicht den Nachweis voraus, dass zumindest dem Grunde nach tatsächlich Kosten angefallen sind, die der Pauschbetrag erfasst. Das Gesetz geht zutreffend davon aus, dass mit dem Erbfall typischerweise entsprechende Kosten entstehen. Der Abzug der Pauschale ist nach dem Gesetzeswortlaut ausdrücklich ohne Nachweis möglich. Ein Nachweis darüber, dass Kosten dem Grunde nach entstanden sind, würde dem Vereinfachungszweck entgegenstehen. Anderenfalls müsste der Erwerber zunächst nachweisen, dass Kosten entstanden sind, um anschließend die Kosten in Höhe des Pauschbetrages geltend machen zu können.

Insoweit bestätigt der Bundesfinanzhof mit vorgenanntem Urteil die erste Instanz in Form des Finanzgerichtes Münster, welches mit Urteil vom 4.10.2019 unter dem Aktenzeichen 3 K 3549/17 (wir berichteten bereits dazu) schon entschieden hatte, dass die Erbfallkostenpauschale auch einem Nacherben zu gewähren ist, der zwar nicht die Kosten der Beerdigung des Erblassers, aber andere mit der Abwicklung des Erbfalls entstandenen Aufwendungen getragen hat. Dies galt im vorliegenden Fall selbst dann, wenn der Nacherbe lediglich Kosten in Höhe von 40 Euro getragen hatte. Auch in diesem Fall kann eine Erbfallkostenpauschale in Höhe von 10.300 Euro ansetzen.

Insgesamt setzt der Abzug des Pauschbetrages nicht den Nachweis voraus, dass zumindest dem Grunde nach tatsächlich Kosten angefallen sind. Ganz ausdrücklich ändert der Bundesfinanzhof damit seine Rechtsprechung zugunsten der Steuerpflichtigen. Soweit also der Bundesfinanzhof in Beschlüssen vom 28.11.1990 unter dem Aktenzeichen II S 10/90 oder in der Entscheidung vom 21.1.2005 unter dem Aktenzeichen II B 6/04 eine andere Rechtsauffassung vertreten hat, hält er ganz ausdrücklich nicht mehr an dieser fest.