7. Für Arbeitnehmer: Einheitliche Entschädigung bei mehreren Teilleistungen aufgrund des Arbeitsplatzverlusts

Mandantenbrief WBS Gruppe

Sind im zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist nach § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die darauf entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Ausweislich der Aufzählungen im Gesetz in § 34 Abs. 2 Nummer 2 EStG kommen als außerordentliche Einkünfte unter anderem Entschädigungen in Betracht, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden.

Eine Entschädigung liegt vor, wenn die bisherige Grundlage für den Erfüllungsanspruch weggefallen ist und der an die Stelle der bisherigen Einnahmen getretene Ersatzanspruch auf einem neuem Rechts- oder Billigkeitsgrund beruht. Außerordentliche Einkünfte werden in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nur bejaht, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und auch durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen. So beispielsweise die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 9.10.2008 unter dem Aktenzeichen IX R 85/07.

Keine Zusammenballung in diesem Sinne liegt typischerweise vor, wenn eine Entschädigung in zwei oder mehr Veranlagungszeiträumen gezahlt wird, auch wenn die Zahlungen jeweils mit anderen laufenden Einkünften zusammentreffen und sich ein Progressionsnachteil ergibt. Diese Auffassung hatte bereits der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 8.4.2014 unter dem Aktenzeichen IX R 28/13 vertreten.

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz halten die obersten Finanzrichter der Republik allerdings in solchen Fällen für geboten, in denen (neben der Hauptentschädigungsleistung) in späteren Veranlagungszeiträumen aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit Entschädigungs-Zusatzleistungen gewährt werden. Derartige ergänzende Zusatzleistungen, die Teil der einheitlichen Entschädigung sein können, sind insoweit unschädlich für die Beurteilung der Hauptleistung als einer zusammengeballten Entschädigung.

Nach dem Zweck der begünstigten Besteuerung ist trotz Zuflusses einer einheitlichen Abfindung in zwei verschiedenen Veranlagungszeiträumen außerdem auch dann die ermäßigte Besteuerung anwendbar, wenn der Steuerpflichtige die ganz überwiegende Hauptleistung in einem Betrag und nur eine geringe Teilleistung in einem anderen Veranlagungszeitraum erhält. Der Zufluss in dem anderen Veranlagungszeitraum ist dann nach dem Wortlaut von § 34 EStG kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal.

Werden hingegen zwei oder mehrere Entschädigungszahlungen in aufeinanderfolgenden Veranlagungszeiträumen nicht zum Ausgleich für dasselbe Schadensereignis, etwa den Verlust eines Arbeitsplatzes, sondern für jeweils unterschiedliche Schadensereignisse erbracht, ist nicht von einer einheitlichen Entschädigungszahlung auszugehen.

Vor diesem grundlegenden Hintergrund kam der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 6.12.2021 unter dem Aktenzeichen IX R 10/21 zu dem Schluss: Wird anlässlich des strukturbedingten Wegfalls des Arbeitsplatzes die Beendigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses gegen eine Sozialplanabfindung sowie die anschließende befristetete Weiterbeschäftigung in Transfergesellschaften vereinbart, bei denen der Steuerpflichtige neben einem Transfer-Kurzarbeitergeld weitere Zahlungen namens „Zusatzabfindung” oder „Startgeld” erhält (die umso höher ausfallen, je schneller der Steuerpflichtige einen neuen Arbeitgeber findet und deswegen das Beschäftigungsverhältnis mit der jeweiligen Transfergesellschaft beendet), so werden bei einer Gesamtwürdigung des verwirklichten Sachverhalts die Entschädigungszahlungen zum Ausgleich für ein- und dasselbe Schadensereignis, nämlich den Verlust des Arbeitsplatzes, gezahlt. Es liegt daher eine einheitliche, nicht nach § 34 Abs. 1 EStG steuerbegünstigte Entschädigung vor, wenn die Zahlungen in zwei Veranlagungszeiträumen ausbezahlt werden und somit keine Zusammenballung von Einkünften vorliegt.