8. Für GmbH-Gesellschafter: Fremdübliche Verzinsung einer Darlehensforderung

Ausweislich des Urteils des Bundesfinanzhofs in München vom 22.2.2023 unter dem Aktenzeichen I R 27/20 kann der Verzicht auf eine angemessene Verzinsung einer auf einem Gesellschafterverrechnungskonto verbuchten Darlehensforderung einer GmbH zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führen.

Zum Hintergrund der Entscheidung: Entsprechend der Regelungen im Körperschaftsteuergesetz mindern verdeckte Gewinnausschüttungen das Einkommen der Kapitalgesellschaft nicht. Unter einer solchen verdeckten Gewinnausschüttung ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf den Gewinn auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Senat die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Der sogenannte Fremdvergleich passt also nicht. Außerdem muss der Vorgang geeignet sein, bei dem begünstigten Gesellschafter einen Bezug im Sinne der Einkünfte aus Kapitalvermögen auszulösen.

Mit Blick auf die Beurteilung von Darlehensgeschäften zwischen der Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter gilt dabei grundsätzlich das Folgende: Gewährt die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter ein Darlehen, kommt der Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung insoweit in Betracht, als der Kredit zinslos oder zu einem unangemessen niedrigen Zins gewährt wird. Davon kann insbesondere dann auszugehen sein, wenn die Gesellschaft für den bei ihr angestellten Gesellschafter ein unangemessen verzinstes Verrechnungskonto führt, das einen Saldo zugunsten der Gesellschaft ausweist.

Zur Bestimmung des angemessenen (fremdüblichen) Zinses ist vorrangig die Preisvergleichsmethode anzuwenden, weil diese Methode unmittelbar zur Feststellung des Vergleichspreises führt und sie daher als die Grundmethode zur Bestimmung angemessener Preise anzusehen ist. Fremdpreis ist dabei der Zins, zu dem Fremde unter vergleichbaren Bedingungen den Kredit am Geld- oder Kapitalmarkt gewährt hätten. Der Bundesfinanzhof hat für Fälle, in denen eine Gesellschaft für den bei ihr angestellten Gesellschafter ein unangemessen verzinstes Verrechnungskonto führt, zur Bemessung des angemessenen Zinssatzes den schlagwortartig als Margen-Teilungsgrundsatz bezeichneten Erfahrungssatz als sachgerecht anerkannt.

Bei Kreditgeschäften zwischen einer Kapitalgesellschaft, die selbst keine Bankgeschäfte betreibt und als privater Darlehensgeber agiert, und ihren Gesellschafter als privaten Darlehensnehmer berechnet sich die für den Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung erforderliche verhinderte Vermögensmehrung nach den in Rechnung gestellten Soll-Zinsen, wenn und soweit davon ausgegangen werden kann, dass der dem Gesellschafter zinslos überlassene Darlehensbetrag andernfalls zur Kreditrückzahlung verwendet worden wäre. Hat die Gesellschaft selbst keinen Kredit aufgenommen, so bilden die banküblichen Habenzinsen die Untergrenze und die banküblichen Sollzinsen die Obergrenze der verhinderten Vermögensmehrung. Der im Einzelfall maßgebliche Betrag innerhalb der genannten Marge ist durch Schätzung zu ermitteln, wobei dem Risiko, dass das Darlehen nicht zurückgezahlt werden kann, besondere Bedeutung zukommt. In der Regel ist der Ansatz der Sollzinsen jedenfalls dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesellschaft keine Bankgeschäfte betreibt und deshalb auch nicht den damit verbundenen Aufwand hat. Sind keine anderen Anhaltspunkte für die Schätzung erkennbar, ist es nicht zu beanstanden, wenn von dem Erfahrungssatz ausgegangen wird, dass sich private Darlehensgeber und Darlehensnehmer die bankübliche Marge zwischen Soll- und Habenzinsen teilen.

Mit Blick auf die hinter uns liegende historische Niedrigzinsphase hat der Bundesfinanzhof jedoch ein durchaus praktisches Argument nicht gelten lassen. Vermehrt sind insoweit Stimmen aufgekommen, die besagten, dass in dem Streitfall zugrunde liegenden Sachverhalten für Guthaben bei Banken allgemein überhaupt keine Zinsen gezahlt worden sind bzw. die Kreditinstitute sogar noch sogenannte Strafzinsen erhoben haben. Sofern daher ein Gesellschafter-Verrechnungskonto nicht verzinst wurde, hat es von vornherein an einer verhinderten Vermögensmehrung gefehlt, da die Gesellschaft bei der Bank auch keinen Zins für die Bareinlage erhalten hätte, sondern diese gegebenenfalls sogar noch Strafzinsen gekostet hätte. Der Bundesfinanzhof lehnte diese Argumentation jedoch ab, weil die banküblichen Habenzinsen nicht der alleinige Maßstab für die Prüfung des Fremdvergleichs sind. Aus Sicht der obersten Finanzrichter der Republik sei es grundsätzlich nicht vorstellbar, dass Kapital und die damit verbundenen Nutzungsmöglichkeiten unentgeltlich ohne Sicherheiten zur Verfügung gestellt werden.

Insoweit die ganz klare Aussage des Bundesfinanzhofs: Sind keine Anhaltspunkte für die regelmäßig gebotene Schätzung der fremdüblichen Zinsen erkennbar, ist es nicht zu beanstanden, wenn von dem Erfahrungssatz ausgegangen wird, dass sich private Darlehensgeber und Darlehensnehmer die bankübliche Marge zwischen Soll- und Habenzinsen teilen.