Mit Urteil vom 8.12.2022 hat das Finanzgericht Köln unter dem Aktenzeichen 13 K 1001/19 entschieden, dass für Zwecke einer verdeckten Gewinnausschüttung auf Gesellschaftsebene der Anscheinsbeweis für die private Kfz-Nutzung eines an den Alleingesellschafter-Geschäftsführer überlassenen betrieblichen PKWs auch bei Vereinbarung eines Privatnutzungsverbotes besteht.
Zum Hintergrund der Entscheidung, welche mittlerweile rechtskräftig geworden ist: Unter einer verdeckten Gewinnausschüttung ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder mitveranlasst ist, sich auf die Höhe des Gewinns auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Bundesfinanzhof die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Zudem muss der Vorgang geeignet sein, bei dem begünstigten Gesellschafter einen sonstigen Bezug im Sinne des § 20 Abs. 1 Nummer 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auszulösen. Diese Grundsätze entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, so beispielsweise in der Entscheidung vom 18.5.2021 unter dem Aktenzeichen I R 4/17 sowie im Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 13.7.2021 unter dem Aktenzeichen I R 16/18.
Ist der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender Gesellschafter, so kann eine verdeckte Gewinnausschüttung auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn oder an eine ihm nahestehende Person erbringt, für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlichen durchgeführten Vereinbarung fehlt. Man spricht in diesem Fall auch vom formellen Fremdvergleich. Von einer beherrschenden Stellung in diesem Sinne ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im Regelfall auszugehen, wenn der Gesellschafter die Mehrheit der Stimmrechte besitzt und er deshalb bei der Gesellschafterversammlung entscheidenden Einfluss ausüben kann. Dies ist im Allgemeinen der Fall, wenn er über mehr als 50 % der Stimmrechte verfügt. Verfügt ein Gesellschafter lediglich über genau 50 % oder weniger der Gesellschaftsanteile, wird er nur dann einem beherrschenden Gesellschafter gleichgestellt, wenn er mit anderen, gleichgerichtete Interessen verfolgenden Gesellschaftern zusammenwirkt, um eine ihren Gesellschaftersinteressen entsprechende Willensbildung der Kapitalgesellschaft herbeizuführen.
Nach diesen allgemeinen Grundsätzen geht der Bundesfinanzhof in Bezug auf die von einer Kapitalgesellschaft getragenen Kosten für einen ihren Gesellschafter-Geschäftsführer zur Verfügung gestellten betrieblichen Pkw nur dann von einer ausschließlichen betrieblichen Veranlassung der Kfz-Kosten aus, wenn die private Nutzung des Fahrzeugs durch den Gesellschafter-Geschäftsführer durch eine fremdübliche Überlassungs- und Nutzungsvereinbarung gedeckt ist. In diesem Fall liegt in der unentgeltlichen oder verbilligten Nutzungsüberlassung ein lohnsteuerlich relevanter geldwerter Vorteil und keine verdeckte Gewinnausschüttung vor. Der Vorteil aus der Nutzungsüberlassung umfasst dabei unabhängig von den tatsächlichen Nutzungsverhältnissen die Zurverfügungstellung des Fahrzeugs selbst sowie die Übernahme sämtlicher damit verbundener Kosten wie Steuern, Versicherungsprämien, Reparatur-, Wartungs- und Treibstoffkosten, folglich nutzungsabhängige wie nutzungsunabhängige Kosten. Auch wenn der Arbeitnehmer den überlassenen Pkw tatsächlich nicht privat nutzen sollte, erspart er sich zumindest die nutzungsabhängigen Kosten, die er sonst für das Vorhalten eines betriebsbereiten Fahrzeugs ausgeben müsste.
Die ohne eine fremdübliche Überlassungs- und Nutzungsvereinbarung erfolgende, über eine solche Vereinbarung hinausgehende oder einem ausdrücklichen Verbot widersprechende Nutzung eines Betriebsfahrzeugs zu privaten Zwecken hat dagegen keinen Lohncharakter, da ein Vorteil, den der Arbeitnehmer gegen den Willen des Arbeitgebers erlangt, nicht für eine Beschäftigung gewährt wird. Vielmehr ist die unbefugte Privatnutzung in diesem Sinne durch das Gesellschaftsverhältnis zumindest mitveranlasst und führt nach der Rechtsprechung auf Gesellschaftsebene stets zu einer verdeckten Gewinnausschüttung.
Ob tatsächlich eine unbefugte private Pkw-Nutzung vorliegt, ist nach allgemeinen Grundsätzen festzustellen. Da es sich insoweit um eine steuerbegründende Tatsache handelt, trägt grundsätzlich das Finanzamt die objektive Beweislast dafür, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer den betrieblichen Pkw tatsächlich zu privaten Zwecken genutzt hat. Die Regeln der Feststellungslast kommen jedoch erst dann zum Zuge, wenn das zu beweisende Tatbestandsmerkmal nicht erweislich ist. Zuvor ist im Rahmen der Beweiswürdigung zu prüfen, ob sich das Gericht beispielsweise unter Anwendung der Regeln des Anscheinsbeweises eine Überzeugung von den tatsächlichen Lebensumständen bilden kann.
Der in der Rechtsprechung als Form der mittelbaren Beweisführung gewohnheitsrechtlich anerkannte Anscheinsbeweis beruht auf der Erfahrung, dass bestimmte Sachverhalte typischerweise bestimmte Folgen auslösen oder umgekehrt, dass bestimmte Folgen auf einen typischen Geschehensablauf hindeuten. Dem Anscheinsbeweis liegt damit ein typischer, aber nicht unbedingt der tatsächliche Geschehensablauf zugrunde. Die Anwendung des Erfahrungsgrundsatzes auf den Anscheinstatbestand bewirkt jedoch, dass das Ergebnis der Beweiswürdigung zur vollen Überzeugung des Gerichts vorgegeben ist, es sei denn, der Anscheinsbeweis wird erschüttert.
Der Bundesfinanzhof geht in seiner bisherigen Rechtsprechung von einem Anscheinsbeweis für die private Nutzung eines dem Gesellschafter-Geschäftsführer zur Verfügung stehenden betrieblichen Fahrzeugs aus. Überlässt eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer ein betriebliches Fahrzeug zur Nutzung, spricht danach aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass das Fahrzeug von dem Gesellschafter-Geschäftsführer tatsächlich auch für private Fahrten genutzt wird. Dies gilt unabhängig davon, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer die Kapitalgesellschaft beherrscht und sowohl im Falle einer fehlenden vertraglichen Vereinbarung bei der Privatnutzung als auch bei einem im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag ausdrücklich vereinbarten privaten Nutzungsverbot und insbesondere dann, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer kein Fahrtenbuch führt, keine organisatorischen Maßnahmen getroffen werden, die eine Privatnutzung des Fahrzeugs ausschließen und eine unbeschränkte Zugriffsmöglichkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers auf den Pkw besteht.
Demgegenüber verneinte der Bundesfinanzhof in seiner jüngeren Rechtsprechung jedoch auch den Anscheinsbeweis. Dabei ging er von der Prämisse aus, dass für steuerliche Zwecke bereits die bloße Gestattung der Privatnutzung unabhängig von den tatsächlichen Nutzungsverhältnissen den Zufluss eines geldwerten Vorteils begründet. Danach streitet der Anscheinsbeweis nur dafür, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zur privaten Nutzung überlassener Pkw auch tatsächlich privat genutzt wird, nicht aber dafür, dass dem Arbeitnehmer überhaupt ein Fahrzeug aus dem vom Arbeitgeber vorgehaltenen Fuhrpark zur Verfügung steht oder dass er ein solches unbefugte auch privat nutzt.
Dies gelte auch für den angestellten Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, dem die Nutzung eines ihm vom Arbeitgeber überlassenen Pkw zu privaten Zwecken untersagt sei. Es gebe keinen auf der allgemeinen Lebenserfahrung gründenden Erfahrungssatz, nach dem ein angestellter Gesellschafter-Geschäftsführer generell arbeitsvertraglich vereinbarte Nutzungsverbote nicht achten werde. Selbst wenn er in Ermangelung einer „Kontrollinstanz” bei einer Zuwiderhandlung keine arbeitsrechtlichen oder gar strafrechtlichen Konsequenzen zu gewärtigen habe, rechtfertige dies keinen entsprechenden steuerstrafrechtlich erheblichen Generalverdacht. Dass der Arbeitgeber ein arbeitsvertraglich vereinbartes Privatnutzungsverbot nicht überwache, ändere hieran nichts. So beispielsweise der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom einen 20.4.2010 unter dem Aktenzeichen VI R 46/08.
An diesen Grundsätzen hat der VI. Senat nicht nur für den Fall eines nicht als Gesellschafter beteiligten Alleingeschäftsführers und eines zu 50 % (und damit nicht beherrschend) am Stammkapital einer GmbH beteiligten Geschäftsführers festgehalten, sondern auch für den eines alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH.
Der erkennende Senat des Finanzgerichts Köln schließt sich insoweit der Rechtsprechung an und geht für Zwecke der Prüfung des Vorliegens einer verdeckten Gewinnausschüttung auf Ebene der Gesellschaft von einem für eine Privatnutzung eines dem Gesellschafter-Geschäftsführer zur Verfügung stehenden Fahrzeugs sprechenden Anscheinsbeweis aus.
Die Urteilsbegründung des erstinstanzlichen Finanzgerichts Köln liefert insgesamt zu der Thematik einen sehr guten Überblick und beinhaltet zahlreiche Fundstellen der bisherigen Rechtsprechung.