Ausweislich der gesetzlichen Regelung in § 13 Abs. 1 Nummer 4 c Satz 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) ist unter anderem der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland belegenen bebauten Grundstück im Sinne des Bewertungsgesetzes durch Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nummer 2 steuerfrei, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war, die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist. Man spricht dabei von der Steuerbegünstigung für das sogenannte Familienheim. In Bezug auf die Kinder ist die Steuerbefreiung nur soweit gegeben; wie die Wohnfläche der Wohnung 200 Quadratmeter nicht übersteigt.
In der Praxis bestehen tatsächlich immer wieder Streitigkeiten zu dieser Steuerbefreiung. So auch vor dem Finanzgericht Münster. Dieses hat in der Entscheidung vom 30.6.2022 unter dem Aktenzeichen 3 K 3184/17 Erb die folgenden Grundsätze hervorgehoben, welche auch in allen anderen Streitfällen zur Steuerbefreiung des Familienheims greifen:
Zunächst einmal definiert das erstinstanzliche Finanzgericht, dass eine Wohnung zur Selbstnutzung bestimmt ist, wenn der Erwerber die Absicht hat, die Wohnung selbst zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen und diese Absicht auch tatsächlich umsetzt.
Insoweit grenzt die Rechtsprechung die bloße Widmung zur Selbstnutzung ab, welche etwa durch eine Angabe in der Erbschaftsteuererklärung stattfindet. Dies reicht allerdings für die Steuerbefreiung nicht aus, wenn kein tatsächlicher Einzug in die gegenständliche Wohnung erfolgt.
In diesem Punkt führt das Finanzgericht weiter aus, dass der Erwerber nicht tatsächlich in die Wohnung einzieht, wenn er sie nur als Lagerraum nutzt oder sich gelegentlich im Garten, auf dem Balkon, im Keller oder auf dem Dachboden aufhält. Vielmehr muss der Erwerber in der Wohnung tatsächlich seinen Lebensmittelpunkt haben.
Ebenso geht das Finanzgericht Münster auch auf den zeitlichen Aspekt ein. So bestimmt der Erwerber die Wohnung unverzüglich zur Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke, wenn er ohne schuldhaftes Zögern in der Regel innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall prüft, ob er einziehen will, entsprechende Renovierungsarbeiten vornimmt und den Umzug auch tatsächlich durchgeführt.
Besonders wichtig dabei: Der Erwerber trägt die objektive Beweislast und damit die Feststellungslast für die Merkmale der Steuerbefreiungsvorschriften.
Wer daher nicht innerhalb von sechs Monaten einziehen kann, sollte tunlichst dokumentieren, dass dies nicht durch ihn zu vertreten ist, sondern allenfalls auf überlange Renovierungsarbeiten zurückzuführen ist, deren Verzögerung der Steuerpflichtige selbst nicht zu vertreten hat. Dann (und nur dann) funktioniert es auch mit der Steuerbefreiung.