3. Für alle Steuerpflichtigen: Zugangsfiktion eines Steuerbescheides beim Zentralversand

Ausweislich der gesetzlichen Regelung in § 124 Absatz 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, indem er ihm bekannt gegeben wird. Entsprechend § 122 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Nummer 1 AO gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, demjenigen Beteiligten, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Im Zweifel hat die Behörde, sprich hier das Finanzamt, den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

Unter »Aufgabe zur Post« im Sinne des Gesetzestextes wird auch eine Übermittlung des Verwaltungsaktes durch einen privaten Postdienstleister erfasst, wie bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 14.6.2018 unter dem Aktenzeichen III R 27/17 festgestellt hat.

Höchstrichterlich geklärt ist ebenso, dass die Drei-Tages-Bekanntgabe-Fiktion nur dann eingreift, wenn feststeht, wann der mit einfachem Brief übersandte Verwaltungsakt tatsächlich zur Post aufgegeben worden ist, wobei es nicht etwa auf das Datum des Bescheides ankommt, wie der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 22.05.2002 unter dem Aktenzeichen VIII R 53/00 bereits einmal herausgearbeitet hatte.

Im Hinblick darauf, dass dieser Zeitpunkt allein dem Wissens- und Verantwortungsbereich der Finanzbehörde zugeordnet ist, bedarf es insoweit keines substantiierten Bestreitens durch den Steuerpflichtigen. Lässt sich das Datum der Aufgabe zur Post nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts feststellen, ist die Bekanntgabefiktion nicht anwendbar, wie die obersten Richter entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung auch bereits in einer Entscheidung vom 9.12.2009 unter dem Aktenzeichen II R 52/07 klargestellt haben.

In diesem Zusammenhang ist das Finanzgericht im Rahmen seiner Sachverhaltsaufklärungspflicht regelmäßig gehalten, Ermittlungen anzustellen, wie im Einzelnen der Ablauf der Postversendung durch das Rechenzentrum gestaltet und in welcher Weise sichergestellt wird, dass Bescheide zu dem im Bescheid angegebenen Zeitpunkt auch tatsächlich zur Post aufgegeben wurden. Auch dies ist durch das oberste Finanzgericht der Republik bereits mit Beschluss vom 22.5.2006 unter dem Aktenzeichen X B 190/05 geregelt worden.

Ob darüberhinausgehend bei der maschinell-elektronischen Versendung von Steuerbescheiden im Wege eines Anscheinsbeweises vom Datum des Bescheids auf den Tag der Aufgabe zu Post geschlossen werden kann, ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden.

Steht der Tag der Aufgabe zur Post fest, setzt jedoch nicht bereits jedes beliebige Bestreiten des Zugangszeitpunkts die Zugangsfiktion außer Kraft. Dies gilt vielmehr nur dann, wenn der Empfänger im Rahmen des Möglichen substantiiert Tatsachen vorträgt, die schließlich auf den späteren Zugang hindeuten und damit eindeutige Zweifel an der Zugangsvermutung begründen. Die Tatsachen müssen also den Schluss zulassen, dass ein anderer Geschehensablauf als der typische ernstlich in Betracht zu ziehen ist.

Sofern der Tag der Aufgabe zur Post feststeht, muss also nur der Zugang des Schriftstücks aufgeklärt und die festgestellten unstreitigen Umstände im Wege der freien Beweiswürdigung gegeneinander abgewogen werden.

In den Fällen, in denen ein privater Postdienstleister oder ein Subunternehmer eingeschaltet wird, kann möglicherweise eine längere Postlaufzeit gegeben sein, denn im Rahmen der Lizenzierung privater Dienstleister wird die Einhaltung konkreter Postlaufzeiten nicht geprüft. Daher ist grundsätzlich zu ermitteln, ob nach den bei dem privaten Dienstleister vorgesehenen organisatorischen und betrieblichen Vorkehrung regelmäßig von einem Zugang des zu befördernden Schriftstücks innerhalb von drei Tagen ausgegangen werden kann. Die Zugangsvermutung ist widerlegt, wenn ein beauftragtes Postdienstleistungsunternehmen zur Beförderung von Postsendungen einen anderen Postdienstleister einschaltet und nicht feststeht, dass es hierdurch nicht zu Verzögerungen kommt. Eine Verzögerung muss also ausgeschlossen werden können!

Zudem kann die Zugangsvermutung auch in den Fällen entfallen, in denen der beauftragte Postdienstleister am Ort des Empfängers regelmäßig nicht an allen Werktagen (also von Montag bis Samstag) die Post ausliefert. In diesem Zusammenhang ist zuletzt ein Urteil des Finanzgerichtes Berlin-Brandenburg vom 24.08.2022 unter dem Aktenzeichen 7 K 7045/20 zu beachten.

Unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze kommt das hier erkennende erstinstanzliche Finanzgericht Hamburg in seiner Entscheidung vom 13.4.2023 unter dem Aktenzeichen 5 K 92/22 zwar zu dem Schluss, dass bei Anwendung der Drei-Tages-Fiktion entsprechend § 122 Abs. 2 Nummer 1 AO das Finanzgericht zwar das Datum der tatsächlichen Aufgabe zur Post von Amts wegen zu ermitteln hat. Jedoch kommt das Gericht im vorliegenden Streitfall trotz der Einschaltung eines privaten Postdienstleistungsunternehmens bei dem Versand von Steuerbescheiden durch ein Hamburger Finanzamt im sogenannten Zentralversand nicht zu dem Schluss, dass die Drei-Tages-Fiktion nicht greift. Vielmehr ist vorliegend das erstinstanzliche Finanzgericht der Meinung, dass die dreitägige Zugangsfiktion gilt.

Ob in ähnlich gelagerten Fällen die dreitägige Zugangsfiktion greift oder eben nicht anzuwenden ist, obliegt insoweit den Umständen des Einzelfalls. Die Entscheidung des Finanzgerichtes Hamburgs enthält auch über die vorgenannten Zitate der Rechtsprechung weitere Nennungen andere Urteile, die bei der grundsätzlichen Prüfung behilflich sein können.