5. Für GmbH-Gesellschafter: Mögliche Steuergestaltung vom Bundesfinanzhof abgesegnet, jedoch vom Gesetzgeber ausgebremst

Wahrlich ist dieser Beitrag keine leichte Kost, dennoch sollen die Hintergründe ausführlich und vollständig dargestellt werden. Um zu verstehen, worum es bei der vorliegenden Entscheidung geht, ist es besonders wichtig, den zugrunde liegenden Sachverhalt zu erläutern.

Im Urteilsfall klagten Ehegatten. Die Ehefrau gründete im November 2015 als Alleingesellschafterin eine GmbH. Deren Geschäftsgegenstand ist der Erwerb und die Verwaltung von Immobilien. Das Stammkapital betrug zunächst 25.000 Euro. Es war eingeteilt in 25.000 Geschäftsanteile im Nennbetrag von jeweils einem Euro, also die Nrn. 1-25.000.

Mitte Dezember 2015 beschloss die Gesellschafterversammlung der GmbH eine Kapitalerhöhung um 1.000 Euro. Hierzu schuf sie einen weiteren Geschäftsanteil im Nennbetrag von 1.000 Euro mit der Nummer 25.001. Auch diesen Geschäftsanteil übernahm die Ehefrau. Entsprechend des gefassten Beschlusses zahlte sie jedoch neben dem Nennbetrag auch noch ein Aufgeld in Höhe von 500.000 Euro in die freie Kapitalrücklage der GmbH ein.

Am 28. Dezember 2015, also nur wenige Tage später, veräußerte die Klägerin 300 Geschäftsanteile im Nennwert von je einem Euro, konkret Nummer 24.701 bis Nummer 25.000, sowie den neuen Geschäftsanteil Nummer 25.001 zum Kaufpreis von 26.300 Euro an ihren Ehemann, der fortan zu 5% am Kapital der GmbH beteiligt war.

Die Ehefrau erklärte nun in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr einen (erheblichen) Verlust im Sinne des § 17 des Einkommensteuergesetzes, den sie wie folgt berechnet: Zunächst einmal stellte sie dem Veräußerungspreis von 26.300 Euro den Nennwert der Geschäftsanteile Nummer 24.701 bis 25.000 von je 300 Euro sowie den Nennwert des Geschäftsanteils 25.001 von 1.000 Euro gegenüber. Weiterhin zog sie das Aufgeld für den Geschäftsanteil Nummer 25.001 ab, sodass ein Veräußerungsverlust von 475.000 Euro entstand. Darauf wendete sie das Teileinkünfteverfahren an, sodass dieser Verlust in Höhe von 60%, also satten 285.000 Euro, zur Verrechnung mit anderen Einkünften zur Verfügung steht.

Wie nicht anders zu erwarten, erkannte das Finanzamt diesen Verlust nicht an. Tatsächlich musste jedoch das Finanzamt vor dem erstinstanzlichen Finanzgericht Düsseldorf eine Ohrfeige kassieren. Mit Urteil vom 20.6.2022 stellte das Finanzgericht Düsseldorf unter dem Aktenzeichen 13 K 1149/20 fest, dass der ermittelte Verlust tatsächlich verrechenbar ist.

Es ist nicht schwer zu erraten, dass die Finanzverwaltung diesbezüglich immer noch Bedenken hatte und somit Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt hat. Dieser hat mit Urteil vom 3.5.2023 unter dem Aktenzeichen IX R 12/22 ganz auf Linie seiner Vorinstanz entschieden und den Verlust ebenso anerkannt. Dies begründeten die obersten Finanzrichter der Republik wie folgt:

Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört nach § 10 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens einem Prozent beteiligt war.

Im Urteilsfall war die Ehefrau als Klägerin alleinige Gründungsgesellschafterin der GmbH und damit zu 100% am Kapital beteiligt. Zudem hat sie mit Wirkung zum 28.12.2015 5% der Anteile an ihren Ehemann entgeltlich übertragen und somit veräußert.

Bei der Ermittlung des Einkommens sind nach allgemeinen Grundsätzen nur solche positiven oder negativen Einkünfte anzusetzen, die unter die Einkünfte gemäß § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 7 EStG fallen. Fehlt es an der Absicht der Einkünfteerzielung, liegen keine steuerbaren Einkünfte vor.

Die Regelung des § 17 Absatz 1 Satz 1 EStG über die Veräußerung von Anteilen an einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft unter den dort genannten Voraussetzungen ist den gewerblichen Einkünften zuzuordnen. Deswegen sind die Grundaussagen über die Steuerbarkeit des Einkommens bei Anwendung des § 17 vorgegeben. Der Steuerpflichtige muss die Anteile an der Gesellschaft mit der Absicht, Gewinne zu erzielen, erwerben und halten.

Von einer solchen Gewinnerzielungsabsicht geht die höchstrichterliche Rechtsprechung bei den Einkünften aus § 17 EStG im Regelfall aus, selbst wenn die Beteiligung nur kurze Zeit gehalten wurde. So beispielsweise zu entnehmen einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 29.6.1995 unter dem Aktenzeichen VIII R 68/93. Denn die Regelung des § 17 Absatz 1 Satz 1 EStG enthält keine Mindestdauer für das Halten der Beteiligung, sondern lässt es genügen, dass der Steuerpflichtige zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung tatbestandsmäßig an der Kapitalgesellschaft beteiligt war. Bereits aus diesem Grund verfängt der Einwand des Finanzamtes, dass die klagende Ehefrau den veräußerten Geschäftsanteil nur sieben Tage gehalten hat, nicht.

An einer Gewinnerzielungsabsicht fehlt es nur, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass aufgrund der individuellen Verhältnisse der Kapitalgesellschaft und/oder ihrer Gesellschafter auch langfristig mit positiven Einkünften nicht zu rechnen ist oder dass rein persönliche Gesichtspunkte für die Beteiligung des Steuerpflichtigen bestimmend waren. Veräußerungsverluste, die generiert werden, um steuerliche Vorteile zu erzielen, stellen im Regelfall nicht die Gewinnerzielungsabsicht infrage, sondern sind dahingehend zu würdigen, ob die rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 AO missbraucht wurden.

Die Gewinnerzielungsabsicht muss sich auf die gesamte Beteiligung an der Kapitalgesellschaft beziehen. Eine Einzelbetrachtung mit Blick auf den veräußerten Geschäftsanteil ist entgegen der Annahme der Finanzverwaltung ausgeschlossen.

Hierfür spricht unter anderem, dass im Fall des Erreichens der Relevanzschwelle des § 17 Absatz 1 Satz 1 EStG die Beteiligung einer Kapitalgesellschaft als Ganzes und eben nicht der einzelne Geschäftsanteil steuerlich verstrickt ist. Bereits hieraus lässt sich ableiten, dass auch die Gewinnerzielungsabsicht geschäftsanteilsübergreifend zu beurteilen ist.

Zudem ist bei der Prüfung, ob eine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt, nicht abschnittsbezogen ein Periodengewinn in Bezug zu nehmen, sondern der Totalgewinn als Ergebnis der steuerrelevanten Tätigkeiten oder Nutzung von Kapitalvermögen. So bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 29.6.1995 unter dem Aktenzeichen VIII R 68/93. Gewinne oder Verluste aus einzelnen Geschäftsanteilsveräußerungen haben für sich betrachtet somit keine Aussagekraft darüber, ob der Steuerpflichtige die gesamte Beteiligung einer Kapitalgesellschaft in der Absicht erworben und gehalten hat, um hieraus einen Totalgewinn zu erzielen.

Ohnehin wird für das Streben nach einem Totalgewinn bei den Einkünften aus § 17 EStG nicht nur die Wertsteigerung der Beteiligungen berücksichtigt. Einzubeziehen sind auch die laufenden Erträge aus Ausschüttungen. Denn die Höhe des Veräußerungsgewinns und das Ausschüttungsverhalten der Kapitalgesellschaft stehen in einer Wechselwirkung in der Weise, dass thesaurierte Gewinne regelmäßig den Veräußerungsgewinn erhöhen und Ausschüttungen ermäßigen. Die lediglich rechtstechnische Trennung des Veräußerungsgewinns von den laufenden Erträgen kann nicht zu einer isolierten Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht führen. Eine solche Gesamtbetrachtung gebietet es, weil diese Beurteilung auf die Kapitalbeteiligung als Ganzes abstellt.

Deutlich führt das erkennende Gericht an: Die gegenteilige Ansicht des Finanzamtes führt darüber hinaus zu nicht begründbaren Differenzen zur Beurteilung der Überschusserzielungsabsicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Dort ist anerkannt, dass die Überschusserzielungsabsicht nicht einheitlich für die gesamte Einkunftsart, sondern für jede einzelne Kapitalanlage zu bestimmen ist. Unter Kapitalanlage ist bei Beteiligungen an Kapitalgesellschaften nicht der einzelne Geschäftsanteil, sondern die Gesamtheit der Anteile des Steuerpflichtigen an der jeweiligen Gesellschaft zu verstehen.

Es ist zudem systematisch inkonsequent, Verlust aus der Veräußerung einzelner Geschäftsanteile steuerrechtlich nicht anzuerkennen, während Gewinne aus der Veräußerung anderer Geschäftsanteile an derselben Kapitalgesellschaft besteuert werden sollen, obwohl jene Gewinne auch daraus resultieren, dass die Kapitalrücklage anteilig an den Erwerber mitveräußert wird. Eine auf den einzelnen Geschäftsanteil reduzierte Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht hätte zur Konsequenz, dass bei einer Gesamtbetrachtung Teile der Anschaffungskosten des veräußernden Steuerpflichtigen außen vor bleiben. Dies ist mit dem Zweck des § 17 Abs. 1 EStG, den vom Steuerpflichtigen erzielten Substanzgewinn zu besteuern, unvereinbar.

Schließlich geht auch der Gesetzgeber nach Auffassung des Bundesfinanzhofs offensichtlich davon aus, dass sich die Gewinnerzielungsabsicht auf die gesamte Beteiligung des Steuerpflichtigen an der jeweiligen Kapitalgesellschaft beziehen muss. Der mit dem »Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften« vom 12.12.2019 eingeführten Regelung des § 17 Absatz 2a Satz 5 EStG hätte es nämlich nicht bedurft, wenn die steuerliche Anerkennung eines gezielt herbeigeführten Verlustes aus der Veräußerung eines Geschäftsanteils, der wegen Einzahlung des Kapitals der Gesellschaft mit hohen Anschaffungskosten belastet ist, bereits an der fehlenden Gewinnerzielungsabsicht scheitert.

Dementsprechend kommt auch der Bundesfinanzhof zu dem Schluss, dass nach diesen Rechtsgrundsätzen die Vorinstanz zutreffend entschieden hat, dass die Anerkennung des Verlusts aus der Veräußerung des Geschäftsanteils Nummer 25.001 nicht wegen fehlender Gewinnerzielungsabsicht zu versagen ist. Soweit diesbezüglich das Finanzgericht ausgeführt hat, für die Beurteilung jeder Absicht sei auf die Gesamtheit der veräußerten Geschäftsanteile abzustellen, ist dies zwar dahingehend zu korrigieren, dass die Gesamtheit der gehaltenen Anteile an der jeweiligen Kapitalgesellschaft maßgebend ist. Dies ändert aber im Ergebnis nichts. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, die es erlaubten, der Klägerin in Bezug auf deren gesamte Beteiligung an der GmbH die erforderliche Einkünfteerzielungsabsicht abzusprechen. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass der streitige Verlust aus der Veräußerung des Geschäftsanteils Nummer 25.001 im Fall der Veräußerung weiterer Geschäftsanteile ausgeglichen würde, da sich die Klägerin die von ihr erbrachte Einzahlung in die Kapitalrücklage der GmbH vergüten lassen würde.

Insoweit ist die Berechnung der Klägerin richtig und es wurde zutreffend ein Verlust aus der Veräußerung der Anteile an der GmbH von 475.000 Euro ermittelt. Dem Veräußerungspreis von 26.300 Euro waren Anschaffungskosten von insgesamt 501.300 Euro gegenzurechnen. Eine verhältnismäßige Verteilung des im Zuge der Kapitalerhöhung für den neu geschaffenen Anteil Nummer 25.001 gezahlten Aufgelds von 500.000 Euro auf sämtliche Geschäftsanteile der Klägerin ist für das Streitjahr ausgeschlossen. Verlustberücksichtigungsverbote gemäß § 17 Abs. 2 Satz 6 EStG sind nicht einschlägig. Der Veräußerungsverlust von 475.000 Euro ist daher nach den Grundsätzen des Teileinkünfteverfahrens in Höhe von 60%, also 285.000 Euro, anzusetzen.

Abschließend führen die Richter noch aus, dass die Zahlung eines Aufgelds für den Erwerb des neu geschaffenen Geschäftsanteilsnummer 25.001 sowie dessen kurzfristige spätere Verlustauslösende Veräußerung an den Ehemann nicht als Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten zu werten ist. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) kann durch den Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand der Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehung dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift. Anderenfalls entsteht nach § 42 Absatz 1 Satz 3 AO der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des § 42 Abs. 2 AO so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

Ein Missbrauch liegt insoweit vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründen nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.

Im Zusammenhang mit den Einkünften aus § 17 EStG steht es dem Steuerpflichtigen grundsätzlich frei, ob, wann und an wen er seine Anteile veräußert. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Veräußerung zu einem Verlust führt. Denn die Berücksichtigung eines Veräußerungsverlustes steht nicht nur im Einklang mit § 17 EStG, sondern entspricht auch dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Sie ist damit nicht von vornherein rechtsmissbräuchlich.

Weitergehend hat bereits das erstinstanzliche Finanzgericht ganz konkret angeführt, dass der mit der Aufgeldzahlung erfolgte Erwerb des Geschäftsanteils Nummer 25.001 in Anbetracht des hiermit verfolgten wirtschaftlichen Zwecks, der GmbH Finanzmittel zukommen zu lassen, nicht unangemessen ist. Aufgrund der Stellung der Klägerin als Alleingesellschafterin ist es unerheblich, auf welche Weise sie der Gesellschaft Kapital zuführt.

Leider kann diese Vorgehensweise nur noch bei Gestaltungen Erfolg haben, die bis 31.7.2019 durchgeführt worden sind. Lediglich bis dahin konnten Anschaffungskosten im Fall eines Aufgelds einem bestimmten Geschäftsanteil zugeordnet werden. Das hier erläuterte Gestaltungsmodell soll durch die Vorschrift des § 17 Absatz 2a Satz 5 EStG mit Wirkung ab dem 1.8.2019 verhindert werden. Dass dies tatsächlich Bestand hat, ist leider wahrscheinlich.