6. Für Bilanzierende: Passive Rechnungsabgrenzung erhaltener Zahlungen bei zeitraumbezogenen Leistungen

Entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 250 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches (HGB) sind auf der Passivseite der Bilanz als Rechnungsabgrenzungsposten Einnahmen vor dem Abschlussstichtag auszuweisen, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen. In seiner Entscheidung vom 26.7.2023 hat der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen IV R 22/20 klargestellt, dass eine Schätzung der »bestimmten Zeit« als Tatbestandsvoraussetzung für eine passive Rechnungsabgrenzung erhaltener Einnahmen durchaus zulässig ist. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Schätzung auf allgemeingültigen Maßstäben beruht. Abgrenzend ordnet der Bundesfinanzhof ein, dass es an solchen allgemeinen Maßstäben fehlt, wenn die angewendeten Maßstäbe auf einer Gestaltungsentscheidung des Steuerpflichtigen beruhen, die geändert werden könnte.

Der vorliegende Fall dreht sich um die passive Rechnungsabgrenzung erhaltener Zahlungen bei zeitraumbezogenen Leistungen. Die Klägerin hatte in ihren Projektverträgen Zahlungspläne festgelegt, die jedoch nach Ansicht des Finanzamts keinen ausreichenden zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit den zu erbringenden Leistungen aufwiesen. Der Prüfer des Finanzamtes schätzte einen Erfüllungsrückstand der Klägerin zum Bilanzstichtag auf 2,5 Mio. Euro und empfahl die Bildung einer Rückstellung. Das Finanzamt folgte dieser Empfehlung und änderte den Gewinnfeststellungsbescheid für betreffende Jahr entsprechend.

Die Klägerin legte Einspruch gegen die Entscheidung ein, der jedoch abgewiesen wurde. Das erstinstanzliche Finanzgericht Düsseldorf entschied in seinem Urteil vom 14.7.2020 unter dem Aktenzeichen 10 K 2970/15 F, dass die Voraussetzungen für die Bildung eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens nicht gegeben seien und die begehrte Gewinnminderung nicht durch Passivierung der Honorarzahlungen als erhaltene Anzahlungen erreicht werden könne. Auch eine Erhöhung der bereits berücksichtigten Rückstellung für einen Erfüllungsrückstand wurde abgelehnt. Zudem wurde die Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs nach Art. 267 AEUV als nicht relevant erachtet.

Die Klägerin legte daraufhin Revision ein, die jedoch als unbegründet zurückgewiesen wurde. Der Bundesfinanzhof bestätigte die Entscheidung des erstinstanzlichen Finanzgerichts. Es wurde festgestellt, dass die Schätzung des Finanzamtes hinsichtlich des Leistungsrückstands der Klägerin zum Bilanzstichtag in Höhe von 2,5 Mio. Euro nicht beanstandet wurde. Das Finanzgericht betonte, dass die Klägerin detaillierte Angaben und Unterlagen zur Höhe des Rückstands hätte vorlegen müssen, was jedoch nicht erfolgte. Das Fehlen dieser Informationen führte dazu, dass die Rückstellung nur in Höhe von 2,5 Mio. Euro zugelassen wurde.

Der Bundesfinanzhof hob hervor, dass die Klägerin nicht ausreichend nachgewiesen hatte, in welchem Umfang sie sich zum Bilanzstichtag in einem Erfüllungsrückstand befand. Ohne konkrete Daten zum gesamten Erfüllungsaufwand der betroffenen Objekte und dem noch ausstehenden Anteil konnte die Höhe des Erfüllungsrückstands nicht bestimmt werden. Das Finanzgericht hatte somit keine Veranlassung, die Klägerin erneut zur Vorlage von Unterlagen aufzufordern, da ihr die Bedeutung dieser Informationen bereits bekannt war.

Die Klägerin argumentierte auch, dass die Begrenzung der Rückstellung auf 2,5 Mio. Euro gegen allgemeine Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoße, da sie eine Gewinnmarge von rund 50 % annahm. Der Bundesfinanzhof wies jedoch darauf hin, dass die Rückstellung lediglich den Stand der noch ausstehenden Realisierung von Eigenleistungen zum Bilanzstichtag widerspiegelt und nicht den gesamten unternehmerischen Aufwand für die Erzielung des Ertrags.

Insgesamt zeigt dieser Fall die Bedeutung einer fundierten Dokumentation und Nachweisführung bei der Bildung von Rückstellungen für Erfüllungsrückstände. Die Klägerin konnte nicht ausreichend belegen, in welchem Umfang sie sich in einem Erfüllungsrückstand befand, was letztendlich zur Ablehnung der Revision führte. Anders ausgedrückt: Die Klägerin konnte die »bestimmte Zeit« nach dem Bilanzstichtag nicht darlegen.