Mit der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (kurz: MoMiG) ist die gesetzliche Grundlage für die bisherige Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Aufwendungen des Gesellschafters aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG entfallen. Aufwendungen des Gesellschafters aus seiner Inanspruchnahme als Bürge für Verbindlichkeiten der Gesellschaft führen nicht mehr zu nachträglichen Anschaffungskosten auf seine Beteiligung, wie der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 11.7.2017 unter dem Aktenzeichen IX R 36/15 klargestellt hat. Ebenso haben die obersten Finanzrichter der Republik jedoch auch entschieden: Die bisherigen Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen sind weiter anzuwenden, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum Tag der Veröffentlichung dieses Urteils geleistet hat oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden ist.
Die im vorgenannten Urteil angeordnete Weitergeltung der Rechtsprechungsgrundsätze zur Berücksichtigung eigenkapitalersetzender Finanzierungshilfen als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des Auflösungsverlustes nach § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) stellt lediglich eine Option dar, zu deren Inanspruchnahme – anstelle der wegen der Nichtanwendung des Teileinkünfteverfahrens gegebenenfalls steuerlich günstigeren Berücksichtigung des Forderungsausfalls als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen – der Steuerpflichtige nicht verpflichtet ist. So die aktuelle Entscheidung des Finanzgerichtes Düsseldorf in seinem Urteil vom 19.1.2023 unter dem Aktenzeichen 14 K 1638/20 E.
Danach erfüllen auch Gesellschafterdarlehen den Begriff der sonstigen Kapitalforderung jeder Art im Sinne des § 20 Abs. 1 Nummer 7 EStG, sodass deren endgültiger Ausfall (vorbehaltlich der Bejahung der Einkünfteerzielungsabsicht) zu einem mit der Veräußerung einer Kapitalforderungen gleichzustellen Verlust im Sinne des § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG führen kann.
Insoweit hat der Steuerpflichtige hinsichtlich der Berücksichtigung von Verlusten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen die folgenden Optionen:
- Forderungsausfall als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen: Der Verlust im Zusammenhang mit dem Ausfall von Darlehensforderungen kann gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG als Forderungsausfall berücksichtigt werden.
- Auflösungsverlust bei Kapitalgesellschaften: Bei Auflösung einer Kapitalgesellschaft kann ein Verlust gemäß § 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG geltend gemacht werden, wenn die persönlich getragenen Kosten und Anschaffungskosten die Vermögenswerte übersteigen.
- Nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des Auflösungsverlustes: Die Berücksichtigung eigenkapitalersetzender Finanzierungshilfen als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des Auflösungsverlustes nach § 17 EStG ist eine Option, aber nicht verpflichtend.
Diese Optionen bieten dem Steuerpflichtigen verschiedene Wege, Verluste bei den Einkünften aus Kapitalvermögen steuerlich geltend zu machen.
Dabei gilt ausweislich der Entscheidung aus Düsseldorf weiterhin: Gesellschafterdarlehen werden als sonstige Kapitalforderungen betrachtet, da sie den Begriff der Kapitalforderung im Sinne des Einkommensteuergesetzes erfüllen. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG werden auch Gesellschafterdarlehen als sonstige Kapitalforderungen jeder Art angesehen. Der endgültige Ausfall von Gesellschafterdarlehen kann zu einem Verlust führen, der steuerlich als Forderungsausfall gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG berücksichtigt werden kann. Diese Darlehen werden somit steuerlich ähnlich behandelt wie andere Kapitalforderungen. Die steuerliche Anerkennung von Gesellschafterdarlehen als Kapitalforderungen ermöglicht es, Verluste im Zusammenhang mit diesen Darlehen entsprechend den steuerlichen Vorschriften zu berücksichtigen und abzusetzen.
Das letzte Wort ist allerdings in dieser Thematik noch nicht gesprochen. Unter dem Aktenzeichen IX R 12/23 muss nämlich der Bundesfinanzhof sich nun noch damit beschäftigen. Konkret geht es nun darum, ob die oben bereits zitierte Senatsentscheidung vom 11.7.2017 tatsächlich im Rahmen der getroffenen Vertrauensschutzregelung bzw. der typisierenden Weitergeltungsanordnung dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht in Form einer Günstigerprüfung eröffnet. In diesem Fall könnte der Steuerpflichtige zwischen der Berücksichtigung von Forderungsverlusten als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung (also im Sinne von § 17 EStG) oder als Forderungsverluste (im Sinne der Kapitaleinkünfte nach § 20 EStG) den für ihn persönlich günstigsten Sachverhalt wählen.