In dem Fall, der der Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 16.5.2023 unter dem Aktenzeichen II R 35/20 zugrunde lag, ging es um die Frage, ob der Kläger, der als Alleingeschäftsführer einer Gesellschaft auftrat, eine leichtfertige Steuerverkürzung im Zusammenhang mit der Grunderwerbsteuer begangen hatte. Der Kläger hatte ein Grundstück erworben, ohne die erforderliche Anzeige gemäß den Vorschriften des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) zu erstatten.
Die Finanzbehörden stellten fest, dass der Kläger seiner Anzeigepflicht nicht nachgekommen war, was zu einer Steuerverkürzung führte. Der Kläger argumentierte, dass er sich auf den Notar verlassen habe und dass die verschiedenen Anzeigepflichten für Fach-Unkundige schwer nachvollziehbar seien. Zudem machte er geltend, dass er bei dem privaten Rechtsgeschäft nicht leichtfertig gehandelt habe, da es nicht zu seiner kaufmännischen Tätigkeit gehörte.
Das Finanzgericht hatte in erster Instanz entschieden, dass der Kläger leichtfertig gehandelt habe, da er trotz seines kaufmännischen Hintergrunds und der Hinweise im Vertrag auf die Grunderwerbsteuerpflicht nicht die erforderlichen Schritte unternommen habe, um sich über seine Anzeigepflichten zu informieren.
Der Bundesfinanzhof hob das Urteil des erstinstanzlichen Finanzgerichtes jedoch erfreulicherweise auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück.
Die Entscheidung basierte auf mehreren zentralen Punkten:
Zunächst einmal geht es ganz generell um den Tatbestand der Leichtfertigkeit. Der Bundesfinanzhof stellte insoweit klar, dass die Bewertung der leichtfertigen Steuerverkürzung einen erheblichen Grad an Fahrlässigkeit erfordert, der sich an den persönlichen Fähigkeiten des Steuerpflichtigen orientiert. Der Kläger hätte sich bei einem qualifizierten Dritten über seine Anzeigepflichten erkundigen müssen, was in Anbetracht seines kaufmännischen Hintergrunds als zumutbar angesehen wurde. Dennoch war es entscheidend, die individuellen Fähigkeiten und Kenntnisse des Klägers im Hinblick auf die spezifischen steuerlichen Anforderungen zu berücksichtigen
Weiterhin beschäftigen sich die Richter mit der Frage der Anzeigepflicht. Das oberste Finanzgericht der Republik betonte diesbezüglich, dass die Anzeigepflicht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStG objektiver Natur ist und unabhängig davon besteht, ob die Beteiligten erkannt haben, dass der Rechtsvorgang der Grunderwerbsteuer unterliegt. Das Unterlassen der Anzeige kann daher als leichtfertige Steuerverkürzung gewertet werden, wenn der Steuerpflichtige nicht die erforderliche Sorgfalt walten ließ.
Bei der Prüfung, ob eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt, wird ein subjektiver Maßstab angelegt. Der Bundesfinanzhof vertrat an dieser Stelle die Meinung, dass die Erstinstanzler in ihrer Entscheidung nicht ausreichend auf die subjektiven Merkmale der Leichtfertigkeit eingegangen sind. Es war nicht auszuschließen, dass weitere Feststellungen zu den persönlichen Fähigkeiten des Klägers getroffen werden könnten, die für die Beurteilung der Leichtfertigkeit relevant sind. Daher war eine eigene Beurteilung des obersten Finanzgerichtes nicht möglich, und die Sache wurde zur weiteren Prüfung an die erste Instanz zurückverwiesen.
Abschließend wiesen die obersten Finanzrichter noch darauf hin, dass die Festsetzungsfrist für die Grunderwerbsteuer grundsätzlich vier Jahre beträgt, jedoch auf fünf Jahre verlängert werden kann, wenn eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Die Frist beginnt dabei mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.
Insgesamt entschied der Bundesfinanzhof, dass die Frage der leichtfertigen Steuerverkürzung im konkreten Fall nicht abschließend geklärt werden konnte und dass das Finanzgericht weitere Feststellungen zu den subjektiven Merkmalen des Klägers treffen muss.
Die Entscheidung verdeutlicht für die allgemeine Praxis die Bedeutung der individuellen Fähigkeiten und Kenntnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen bei der Bewertung von leichtfertigem Verhalten im Steuerrecht.