Die steuerliche Unterscheidung zwischen Leibrente und dauernder Last ist ein komplexes und zugleich überaus praxisrelevantes Thema, das insbesondere bei Vermögensübertragungen gegen Versorgungsleistungen eine zentrale Rolle spielt.
Die Unterscheidung hat erhebliche Auswirkungen auf die steuerliche Behandlung der wiederkehrenden Leistungen, da nur dauernde Lasten in vollem Umfang als Sonderausgaben abziehbar sind, während Leibrenten lediglich mit ihrem Ertragsanteil steuerlich berücksichtigt werden können. Der Bundesfinanzhof hat sich in seiner Entscheidung vom 15.11.2023 unter dem Aktenzeichen X R 3/21 eingehend mit dieser Abgrenzung befasst.
Zunächst ist zu verstehen, dass eine Leibrente und eine dauernde Last zwar beide wiederkehrende Leistungen darstellen, jedoch unterschiedlichen steuerlichen Regelungen unterliegen. Eine Leibrente ist eine regelmäßige Zahlung, die in Abhängigkeit von der Lebenszeit des Berechtigten erfolgt und deren steuerliche Abziehbarkeit sich lediglich auf den Ertragsanteil beschränkt. Die Höhe des Ertragsanteils wird nach einer Tabelle in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb des Einkommensteuergesetzes (EStG) bestimmt, die auf der statistischen Lebenserwartung basiert.
Eine dauernde Last hingegen ist dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht nur an die Lebenszeit des Berechtigten gekoppelt ist, sondern auch an die wirtschaftlichen Verhältnisse der Vertragsparteien angepasst werden kann. Diese Abänderbarkeit, die im Wesentlichen die Bedürfnisse des Übergebers und die Leistungsfähigkeit des Übernehmers berücksichtigt, macht die dauernde Last zu einer flexibel anpassbaren Verpflichtung. Diese Flexibilität ist der zentrale Punkt, der eine dauernde Last von einer Leibrente unterscheidet und der sie steuerlich attraktiver macht, da sie in vollem Umfang als Sonderausgabe abzugsfähig ist.
Im Streitfall hatte der Kläger im Jahr 2003 den Optikerbetrieb seines Vaters übernommen und sich im Gegenzug verpflichtet, seinem Vater monatlich 5.500 Euro als »dauernde Last« zu zahlen. Der Vertrag sah eine Anpassung der Zahlungen gemäß § 323 der Zivilprozessordnung (ZPO) vor, falls sich die für die Berechnung der monatlichen Leistungen maßgeblichen Verhältnisse wesentlich änderten. Allerdings, und dies ist die Besonderheit im vorliegenden Sachverhalt, wurde eine Anpassung im Falle einer dauernden Pflegebedürftigkeit oder bei Heimunterbringung des Vaters ausdrücklich ausgeschlossen. Diese Ausschlussklausel hatte zur Folge, dass das Finanzamt die Zahlungen des Klägers bis zur Aufhebung der Klausel im Jahr 2012 nur als Leibrente anerkannte und nur den Ertragsanteil steuerlich berücksichtigte.
Das zentrale Argument des Finanzamts und später auch des Finanzgerichts war, dass die Abänderbarkeit der Zahlungen nur zugunsten des Übernehmers, hier des Klägers, vereinbart worden war, nicht jedoch zugunsten des Übergebers, also des Vaters des Klägers. Dies widerspricht nach Auffassung von Finanzamt und Finanzgericht dem Grundsatz, dass eine dauernde Last nur dann vorliegt, wenn eine Anpassung der Leistungen sowohl zugunsten des Übernehmers als auch zugunsten des Übergebers möglich ist. Der Bundesfinanzhof bestätigte diese Sichtweise ausdrücklich und stellte klar, dass der vertragliche Ausschluss der Anpassung im Falle einer dauernden Pflegebedürftigkeit oder bei Heimunterbringung dazu führt, dass die Zahlungen als Leibrente zu qualifizieren sind.
Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes hebt hervor, dass für die Einordnung von Versorgungsleistungen als dauernde Last die substanzielle Abänderbarkeit in beide Richtungen (also sowohl für den Übernehmer als auch für den Übergeber) entscheidend ist. Dabei bedeutet Abänderbarkeit, dass der Vertrag eine Anpassung der Leistungen sowohl nach den Bedürfnissen des Übergebers als auch nach der Leistungsfähigkeit des Übernehmers erlaubt. Dies ist insbesondere dann von entscheidender Bedeutung, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse oder die Lebensumstände der Vertragsparteien wesentlich ändern, wie es bei einer dauernden Pflegebedürftigkeit der Fall sein kann.
Der Bundesfinanzhof hat in mehreren Entscheidungen bereits klargestellt, dass der Ausschluss einer Anpassung wegen Pflegebedürftigkeit oder Heimunterbringung die Einordnung der Zahlungen als Leibrente zur Folge hat. In seinem Beschluss vom 15.07.1991 unter dem Aktenzeichen GrS 1/90 hat der Große Senat des Bundesfinanzhofes betont, dass wiederkehrende Leistungen nur dann als dauernde Last zu qualifizieren sind, wenn sie in sachlichem Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe stehen und abänderbar sind. Dies bedeutet, dass eine Anpassung nach den Versorgungsbedürfnissen des Übergebers oder nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Übernehmers unbedingt möglich sein muss. Wenn diese Abänderbarkeit jedoch auf eine Partei beschränkt ist oder für bestimmte Fälle, wie dauernde Pflegebedürftigkeit, ausgeschlossen ist, handelt es sich um eine Leibrente.
Die obersten Finanzrichter der Republik führen daher in ihrem Urteil weiter aus, dass für die Annahme einer dauernden Last zumindest der Mehrbedarf wegen dauernder Pflegebedürftigkeit über einen der drei möglichen Wege der Pflege abgedeckt sein muss. Dies kann durch persönliche Pflege durch den Vermögensübernehmer, durch die Übernahme zusätzlicher Kosten für häusliche Pflege oder durch die Übernahme der Kosten für externe Pflege geschehen. Fehlt eine solche Regelung im Vertrag oder wird die Anpassung der Leistungen im Falle von Pflegebedürftigkeit vollständig ausgeschlossen, wie im vorliegenden Fall, dann kann keine dauernde Last mehr angenommen werden.
Ein weiterer Punkt, den der Bundesfinanzhof betonte, ist, dass es unerheblich ist, ob die Vertragspartner bei Abschluss des Vermögensübergabevertrages tatsächlich mit einem Mehrbedarf aufgrund Pflegebedürftigkeit gerechnet haben. Entscheidend ist allein die objektive Möglichkeit einer solchen Anpassung, die im Vertrag festgelegt sein muss. In dem hier zu beurteilenden Fall fehlte es an einer solchen Möglichkeit, weshalb die Zahlungen nicht als dauernde Last anerkannt werden konnten.