6. Für Pflegeeltern: Anspruchsvorrang beim Kindergeld für den am Monatsanfang Berechtigten

Der Streitfall dreht sich um die Frage der Kindergeldberechtigung für ein Pflegekind im Dezember 2020 sowie um den Anspruch auf den Kinderbonus für das Jahr 2020. Im Zentrum des Falles steht die komplexe steuerliche Regelung, wer bei mehreren möglichen Kindergeldberechtigten vorrangig berechtigt ist.

Die Kindergeldberechtigung ist grundsätzlich daran geknüpft, dass das Kind in den Haushalt des Berechtigten aufgenommen wurde. In der Praxis können sich allerdings konkurrierende Ansprüche ergeben, etwa wenn leibliche Eltern und Pflegeeltern infrage kommen, wie es im vorliegenden Fall geschah.

Im konkreten Fall handelt es sich um ein Pflegekindschaftsverhältnis, bei dem der Kläger und sein Lebenspartner als Pflegeeltern für zwei Brüder fungierten. Der jüngere Bruder, A, wurde am 26.11.2020 als Frühgeburt geboren und nach der Geburt im Krankenhaus versorgt. Am 7.12.2020 wurde A nach ärztlicher Entlassung in den Haushalt des Klägers und seines Lebenspartners aufgenommen, was durch eine Bescheinigung des Jugendamts belegt wurde. Der Kläger beantragte am 20.1.2021 Kindergeld für A, das von der Familienkasse zunächst ab Januar 2021 bewilligt wurde.

Der Kläger begehrte jedoch zusätzlich Kindergeld ab dem Tag der Geburt und forderte eine Nachzahlung für November und Dezember 2020 sowie den Kinderbonus für das Jahr 2020. Die Familienkasse lehnte dies mit der Begründung ab, dass A erst im Dezember 2020 in den Haushalt des Klägers aufgenommen wurde und nach dem sogenannten Monatsprinzip immer derjenige vorrangig kindergeldberechtigt ist, der zu Beginn des Monats die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. Daher sei im Dezember 2020 die leibliche Mutter des Kindes vorrangig kindergeldberechtigt gewesen.

Das Finanzgericht Sachsen-Anhalt entschied im Klageverfahren jedoch teilweise zugunsten des Klägers und sprach ihm das Kindergeld für den Dezember 2020 sowie den Kinderbonus für 2020 zu. Wir berichteten bereits in unserem Mandantenbrief von Juni 2024 über die erstinstanzliche Entscheidung. Die Familienkasse legte dagegen jedoch die Revision beim Bundesfinanzhof ein.

Der Bundesfinanzhof hob in seiner Entscheidung vom 18.1.2024 unter dem Aktenzeichen III R 5/23 das Urteil des Finanzgerichts leider auf und wies die Klage in vollem Umfang ab. Das Gericht bestätigte, dass die leiblichen Eltern im Monat Dezember 2020 vorrangig kindergeldberechtigt waren. Dies ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung des § 64 Absatz 1 Einkommensteuergesetz (EStG), wonach das Kindergeld nur einem Berechtigten zusteht und bei mehreren Berechtigten derjenige vorrangig ist, der das Kind zu Beginn des Monats in seinen Haushalt aufgenommen hat. Da A erst am 7.12.2020 in den Haushalt des Klägers aufgenommen wurde, bleibt die leibliche Mutter für den gesamten Monat vorrangig anspruchsberechtigt. Auch die Tatsache, dass die Mutter obdachlos war und A unmittelbar nach der Geburt in die Obhut des Jugendamts kam, änderte nichts an ihrer vorrangigen Berechtigung, da für den Monatsbeginn ausschließlich die formale Kindergeldberechtigung entscheidend ist.

Im Ergebnis entschied der Bundesfinanzhof, dass die Pflegeeltern erst ab Januar 2021 kindergeldberechtigt waren, da die Aufnahme des Kindes in ihren Haushalt im Dezember 2020 keine rückwirkende Kindergeldansprüche auslöst. Folglich stand dem Kläger auch kein Kinderbonus für das Jahr 2020 zu, da dieser nur gezahlt wird, wenn im Jahr 2020 für mindestens einen Monat ein Anspruch auf Kindergeld bestanden hat.