Wenn sich Eheleute scheiden lassen, stehen häufig nicht nur emotionale, sondern auch finanzielle Fragen im Raum. Eine dieser Fragen betrifft die steuerliche Behandlung von Prozesskosten, insbesondere wenn es um die Geltendmachung nachehelichen Unterhalts geht.
Grundsätzlich können außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerlich berücksichtigt werden, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig höhere Aufwendungen als der Mehrheit vergleichbarer Steuerpflichtiger entstehen. Mit der Einführung von § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG im Jahr 2013 wurde jedoch eine Einschränkung eingeführt: Aufwendungen für einen Rechtsstreit sind nur dann steuerlich abzugsfähig, wenn ohne sie die Existenzgrundlage des Steuerpflichtigen gefährdet wäre und er seine lebensnotwendigen Bedürfnisse im üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen könnte.
Im hier entschiedenen Fall des Finanzgerichts Münster vom 18.9.2024 unter dem Aktenzeichen 1 K 494/18 E stritten die Beteiligten darüber, ob Prozesskosten zur Durchsetzung nachehelichen Unterhalts in Höhe von fast 5.000 Euro im Jahr 2015 als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden können.
Die Klägerin hatte nach der Trennung von ihrem Ehemann im Jahr 2012 Unterhaltsansprüche zunächst außergerichtlich und später gerichtlich durchgesetzt. Im Rahmen des laufenden Scheidungsverfahrens beantragte sie mit Schriftsatz vom 31.10.2013 nachehelichen Unterhalt. Die Ehe wurde im September 2014 geschieden. Der Streit um die Höhe des Unterhalts wurde schließlich mit einem Vergleich vor dem Oberlandesgericht am im März darauf beigelegt, bei dem sich der geschiedene Ehemann zu monatlichen Zahlungen in Höhe von 900 Euro verpflichtete.
Die Klägerin machte die auf diesen Unterhaltsprozess entfallenden Prozesskosten in ihrer Steuererklärung für 2015 als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das zuständige Finanzamt lehnte die Berücksichtigung mit Hinweis auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs vom 18.5.2017 unter den Aktenzeichen VI R 9/16, VI R 66/14, VI R 81/14 und VI R 19/15 ab. Danach seien Prozesskosten grundsätzlich vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, der Steuerpflichtige würde ohne die Aufwendungen Gefahr laufen, seine materielle Existenzgrundlage zu verlieren. Der Begriff der »Existenzgrundlage« sei eng auszulegen und umfasse lediglich das sozialhilferechtliche Existenzminimum.
Die Klägerin vertrat hingegen die Ansicht, dass ihre wirtschaftliche Situation im Zeitpunkt der Antragstellung 2013 nicht ausgereicht habe, um ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse zu decken. Ihr damaliger Ehemann habe keinen Trennungsunterhalt gezahlt, sie habe befristete Aushilfsstellen innegehabt, sei gesundheitlich angeschlagen gewesen und habe sich zeitweise in stationärer Behandlung befunden. Die Klägerin argumentierte, dass es sich beim geltend gemachten Unterhalt um sogenannten Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) handele, der gerade dazu diene, die wirtschaftliche Existenz des schwächeren Ehegatten zu sichern.
Das Finanzgericht Münster wies die Klage jedoch ab. Es entschied, dass die Prozesskosten nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar seien, da keine existenzielle Gefährdung der Klägerin im Sinne von § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG vorgelegen habe. Maßgeblich sei der Zeitpunkt der gerichtlichen Antragstellung im Jahr 2013. Zu diesem Zeitpunkt sei die Klägerin trotz Teilzeitbeschäftigung in der Lage gewesen, ein monatliches Bruttoeinkommen von rund 2.400 Euro zu erzielen. Zusätzlich habe sie Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit erzielt. Ihre Arbeitskraft sei damit eine wesentliche und intakte Existenzgrundlage gewesen. Auch wenn das Arbeitsverhältnis zunächst befristet gewesen sei, habe die Klägerin nahtlos eine neue Anstellung gefunden. Diese Umstände sprächen gegen eine existenzielle Gefährdung.
Zudem rechnete das Gericht auch zwei vermietete Immobilien zum Vermögensbestand der Klägerin, der ebenfalls zur Existenzsicherung beiträgt. Diese Objekte hätten sich weitgehend selbst getragen und ab dem Jahr 2015 positive Einkünfte abgeworfen. Dass sie der Altersvorsorge dienen sollten, ändere nichts an ihrem Charakter als einkünfteerzielende Kapitalanlagen.
Die obersten Finanzrichter legten dar, dass nur bei einer umfassenden Bedrohung sämtlicher Einkunftsquellen und Vermögenswerte von einer Gefährdung der Existenzgrundlage gesprochen werden könne. Im vorliegenden Fall sei weder die Arbeitskraft der Klägerin noch ihr Immobilienvermögen in Gefahr gewesen. Selbst ohne den Unterhalt des Ehemannes habe die Klägerin ein frei verfügbares Einkommen erzielt, das das steuerliche Existenzminimum im Jahr 2013 von 8.130 Euro deutlich überschritten habe.
Das Gericht stellte somit klar, dass der Begriff der Existenzgrundlage eng auszulegen ist und nicht mit dem individuellen Lebensstil oder einem subjektiven Sicherheitsbedürfnis gleichgesetzt werden darf.
Das Urteil schließt mit der Feststellung, dass keine Revision zuzulassen sei, da es sich um einen Einzelfall handele, der auf Grundlage gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung entschieden wurde.

