7. Für Vermieter: Sofortabzug von Mieterabfindung als Werbungskosten bei Entwertung wegen Renovierungsarbeiten

Mandantenbrief WBS Gruppe

Werbungskosten sind entsprechend der Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie durch diese veranlasst sind. Eine derartige Veranlassung liegt regelmäßig dann vor, wenn objektiv ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der auf Vermietung und Verpachtung gerichteten Tätigkeit besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden. Maßgeblich ist danach, ob bei wertender Beurteilung das auslösende Moment für das Entstehen der Aufwendungen der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbsphäre zuzuordnen ist. So bereits wiederholt geklärt durch den Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 6.12.2021 unter dem Aktenzeichen IX R 8/21 mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung.
Zu den bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbaren Werbungskosten gehören auch Abschreibungen für die zur Einkünfteerzielung genutzten Gebäude. Bemessungsgrundlage für die Abschreibung sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Welche Aufwendungen zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zählen, bestimmt sich auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach den Regelungen des Handelsgesetzbuches (HGB), konkret nach § 255 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 HGB.
Zu den (wohl gemerkt fiktiven) Herstellungskosten eines Gebäudes gehörend entsprechend der speziellen Regelung in § 6 Abs. 1 Nummer 1 a Satz 1 EStG auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von den sogenannten anschaffungsnahen Herstellungskosten. Diese Aufwendungen erhöhen die Abschreibungsbemessungsgrundlage, sie sind dementsprechend nicht als Werbungskosten sofort abziehbar.
Auf Basis dieser Regelung berichteten wir seinerzeit bereits über eine Entscheidung des Finanzgerichts Münster vom 12.11.2021 unter dem Aktenzeichen 4 K 1941/20. Darin entschied das erstinstanzliche Finanzgericht, dass zu den Kosten einer baulichen Maßnahme nicht nur die Aufwendungen für die Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen zählen, sondern auch die damit in engem wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden sonstigen Aufwendungen, die durch die Durchführung der Maßnahme veranlasst sind und dieser dienen sollen. Nach Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts können dazu auch Aufwendungen zählen, die für die Aufhebung bestehender Mietverhältnisse aufgewendet werden, damit entsprechende Renovierungsarbeiten einfacher vonstattengehen.
In einer aktuellen Entscheidung vom 20.9.2022 unter dem Aktenzeichen IX R 29/21 widersprechen die obersten Finanzrichter erfreulicherweise dieser fiskalisch geprägten, erstinstanzlichen Meinung des Finanzgerichtes Münster. Zur Begründung führen die obersten Finanzrichter der Republik weiter aus: Unter den Begriff der Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen im Sinne der Regelung zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten fallen bauliche Maßnahmen, durch die Mängel oder Schäden an vorhandenen Einrichtungen eines bestehenden Gebäudes oder am Gebäude selbst beseitigt werden oder das Gebäude durch Erneuerung in einen zeitgemäßen Zustand versetzt wird. Zu diesen Aufwendungen im Sinne der Regelung der anschaffungsnahen Herstellungskosten gehören daher unabhängig von ihrer handelsrechtlichen Einordnung sämtliche Aufwendungen für bauliche Maßnahmen, die im Rahmen einer im Zusammenhang mit der Anschaffung des Gebäudes vorgenommenen Instandsetzung und Modernisierung anfallen. Nicht zu diesen Aufwendungen gehören nach dem Wortlaut der Regelung im Einkommensteuergesetz ausdrücklich nur Aufwendungen für Erweiterungen im Sinne des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB sowie Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen.
Im Regelfall kann von einer Renovierung oder Modernisierung im Zusammenhang mit der Anschaffung des Gebäudes ausgegangen werden, soweit bauliche Maßnahmen innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung durchgeführt werden. Insoweit enthält die Vorschrift der anschaffungsnahen Herstellungskosten eine Regelvermutung für das Vorliegen entsprechender anschaffungsnaher Herstellungskosten, ohne dass es einer Einzelfallprüfung bedarf. Übersteigen die hierfür angefallenen Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15 % der für den Erwerb des Gebäudes aufgewandten Anschaffungskosten, sind sie insgesamt als anschaffungsnahe Herstellungskosten zu behandeln.
Im Rahmen dieser Regelvermutung sind auch die Kosten für Instandsetzungsmaßnahmen zur Beseitigung verdeckter Mängel den anschaffungsnahen Herstellungskosten zuzuordnen. Dabei geht es um Mängel, die im Zeitpunkt der Anschaffung des Gebäudes zwar unentdeckt, jedoch bereits vorhanden waren. Gleiches gilt für Kosten zur Beseitigung bei Anschaffung des Gebäudes bereits angelegter, aber erst nach dem Erwerb auftretender altersüblicher Mängel und Defekte. Auch solche Aufwendungen sind ihrer Natur nach verdeckte Mängel und mithin in die Bagatellgrenze der anschaffungsnahen Herstellungskosten mit einzubeziehen. Demgegenüber sind Kosten für Instandsetzungsmaßnahmen zur Beseitigung eines Schadens, der im Zeitpunkt der Anschaffung nicht vorhanden und auch nicht in dem oben genannten Sinn „angelegt“ war, sondern nachweislich erst zu einem späteren Zeitpunkt durch das schuldhafte Handeln eines Dritten am Gebäude verursacht worden ist, nicht den anschaffungsnahen Herstellungskosten zuzuordnen, wenn die Maßnahme vom Steuerpflichtigen innerhalb von drei Jahren seit der Anschaffung zur Wiederherstellung der Betriebsbereitschaft des Gebäudes durchgeführt werden müssen. Die Regelvermutung für das Vorliegen anschaffungsnaher Herstellungskosten gilt für solche Schäden nicht.
Insgesamt ist der Anwendungsbereich der Regelung der anschaffungsnahen Herstellungskosten auf bauliche Maßnahmen an Einrichtungen des Gebäudes oder am Gebäude selbst beschränkt. Dazu gehören insbesondere Aufwendungen, die vom Grundsatz her als Erhaltungsaufwendungen zu beurteilen wären. Hingegen reicht das Bestehen eines (mittelbaren oder unmittelbaren) Veranlassungszusammenhangs zwischen den Kosten und den Instandsetzung- und Modernisierungsmaßnahmen allein nicht aus, um die Aufwendungen in den Bereich der anschaffungsnahen Herstellungskosten zu ziehen.
Die Begrenzung des sachlichen Anwendungsbereiches der anschaffungsnahen Herstellungskosten auf Aufwendungen für bauliche Maßnahmen ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der gesetzlichen Norm. Dort wird ganz ausdrücklich von Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen gesprochen. Erforderlich ist demnach, dass es sich um Aufwendungen für die bauliche Maßnahme selbst handelt.
Ein enges Verständnis des Begriffs der Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen liegt auch der zeitlichen Anwendungsbestimmung zugrunde. Sie stellt nämlich auf den „Beginn der Baumaßnahmen“ ab. Dies ist bei Baumaßnahmen, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist, der Zeitpunkt, in dem der Bauantrag gestellt wird, bei freien Bauvorhaben, für die Unterlagen einzureichen sind, der Zeitpunkt, in dem die Bauunterlagen eingereicht werden.
Für dieses enge Begriffsverständnis spricht zudem die Gesetzesbegründung zur Regelung der anschaffungsnahen Herstellungskosten. Danach sollte die Behandlung von „Reparatur- und Modernisierungsaufwendungen“, „Aufwendungen für die Instandsetzung und Modernisierung“ bzw. „Aufwendungen für Instandsetzungsarbeiten“ geregelt werden. So zu entnehmen der Bundestagsdrucksache 15/1562. Sonstige Aufwendungen, die allein in einem mittelbaren oder unmittelbaren Veranlassungszusammenhang mit der Instandsetzung und Modernisierung stehen, sind in der Gesetzesbegründung ganz ausdrücklich nicht genannt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift der anschaffungsnahen Herstellungskosten. Die Norm dient der Überwindung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs vom 12.9.2001 unter dem Aktenzeichen IX R 39/97 und IX R 52/00. Danach waren sogenannte anschaffungsnahe Aufwendungen nicht mehr allein wegen ihrer Höhe oder ihrer zeitlichen Nähe zur Anschaffung eines Gebäudes als Herstellungskosten zu beurteilen. Soweit sie nicht der Herstellung oder Erweiterung eines Gebäudes dienten, stellten die Aufwendungen nur dann Herstellungskosten dar, wenn sie zu seiner wesentlichen Verbesserung führten. Zugleich sollte die seinerzeitige Regelung zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten in den Einkommensteuerrichtlinien aus Gründen der Rechtssicherheit und Verwaltungsvereinfachung gesetzlich festgeschrieben werden. So auch zu entnehmen der Begründung zum Gesetzesentwurf unter der Bundestagsdrucksache 15/1562.
Dementsprechend lagen dem seinerzeitigen Nichtanwendungsgesetz sowohl im Hinblick auf die Verwaltungspraxis als auch im Hinblick auf die gegen diese gerichtete Rechtsprechung typische Erhaltungsaufwendungen und damit allein Aufwendungen für bauliche Maßnahmen zugrunde. Die vom Gesetzgeber bezweckte Typisierung soll zudem allein bewirken, dass im Rahmen einer dem Erwerb nachfolgenden einheitlichen Instandsetzung und Modernisierung des Gebäudes einzelner Arbeiten nicht isoliert betrachtet werden müssen. Hingegen müssen Aufwendungen, die nicht Teil derartiger Instandsetzung- und Modernisierungsmaßnahmen sind, ohnehin einer getrennten steuerrechtlichen Würdigung unterzogen werden. In Anwendung dieser Grundsätze verwirft daher der Bundesfinanzhof die fiskalisch geprägte erstinstanzliche Entscheidung.
Mieterabfindungen stellen keine Instandsetzung- oder Modernisierungsmaßnahmen im Sinne der anschaffungsnahen Herstellungskosten dar! Sie gehören nicht zu den baulichen Maßnahmen. Wenngleich der Begriff der Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen zur Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten im Grundsatz weit zu verstehen ist, sind Maßnahmen zur Aufhebung bestehender Mietverhältnisse nicht Teil der Instandsetzung bzw. Modernisierung der Gebäudesubstanz. Die gegenteilige Auffassung des Finanzgerichtes überschreitet die Wortlautgrenzen deutlich. Die Verwendung der Präposition „für“ (Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen) rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Vor diesem Hintergrund kann sich weder das erstinstanzliche Finanzgericht noch das Finanzamt darauf berufen, dass Mieterabfindungen durch den Kläger nach Feststellung der Vorinstanz geleistet wurden, um die Mieter zur Räumung ihrer Wohnungen zu bewegen und die Renovierungsarbeiten durchführen zu können. Ungeachtet der Tatsache, dass die Renovierungsarbeiten nach den Feststellungen des Finanzgerichtes auch ohne die Entmietung möglich gewesen wären, reicht weder das Bestehen eines mittelbaren oder unmittelbaren Veranlassungszusammenhangs zwischen den Aufwendungen noch das Bestehen eines wirtschaftlichen Zusammenhangs im weitesten Sinne allein dazu aus, um die Aufwendungen unter die Norm der anschaffungsnahen Herstellungskosten subsumieren zu können.
In der weiteren Urteilsbegründung führen die obersten Finanzrichter der Republik zudem aus, dass die vom Finanzgericht Münster angeführte Parallele zu den originären Herstellungskosten keine andere Beurteilung rechtfertigt.
Konkret bleibt es dabei, dass die anschaffungsnahen Herstellungskosten auf bauliche Maßnahmen an der Errichtung des Gebäudes oder am Gebäude selbst beschränkt sind. Aufwendungen, die durch die Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahmen lediglich mitveranlasst sind, unterfallen nicht der Regelung. Dazu gehört auch eine Abfindung, die vom Vermieter für die vorzeitige Kündigung des Mietvertrages und die Räumung der Wohnung an den Mieter gezahlt wird, um das Gebäude im Anschluss umfangreich renovieren zu können.

Die Entscheidung zeigt, dass die Rechtsprechung der erstinstanzlichen Finanzgerichte leider häufig fiskalisch geprägt ist und man sich auch nicht davon einschüchtern lassen sollte, dass bestimmte Begriffe mit großem Selbstvertrauen anders ausgelegt werden, als es ihrer eigentlichen Bedeutung entspricht.